Frankreich, Juni 2023

Tag 46, 1. Juni

Oh mein Gott, ich bin auf der Heimreise.

Alles an mir mag nicht. Ich weiß aber, nach Paris wird es besser sein. Denn die Gegend nach Paris, die sagt mir nichts mehr. Doch vorher, Bretagne, Normandie, da ist es, als würde mich ein Faden, ein Seil, einfach festhalten wollen und nicht mehr gehen lassen. Heute also die letzte Station im Fadensektor. Chateau de Bouafles, mein sicherer Hafen, mein Gehheimtipp, ein Campingplatz, den ich vor vielen Jahren, verzweifelt suchend mitten in der Nacht gefunden habe. Und seitdem fast jährlich mal vorbeischauen. Um einfach an der Seine zu sitzen.

Wanda liebt es hier. Sie erkennt den Platz immer gleich und rennt dann wie verrückt an die Seine hinunter.

Tag 47, 2. Juni

Ein äußerst verwirrender Tag! Es beginnt mit einem Temperaturschock. Gestern Nachmittag 27 Grad, heute früh 14. Ich friere, bette nicht mal mehr auf und fahre einfach los. Dann Paris. Der Flughafen Charles de Gaulle. Mein Gott, ist der groß. So viel Verkehr, und ich muss da irgendwie durch. Wenn man drei Wochen in der Bretagne verbracht hat, ist alles schnell zu viel. In meiner Überforderung freunde ich mich aber nun, nach fast drei Jahren, mit der Routentante an und sie bringt uns sicher an Paris vorbei und dann nach Reims, und dann nach Chalons en Champagne.

Also endlich, nach sechs Stunden Fahrt anstatt den von der Routentante veranschlagten vier Stunden, kommen wir in Chalons en Champagne an. Der Stadt inmitten der Champagne, wo der Champagner herkommt. Ich muss ja gestehen, ich mag keinen Alkohol, der sprudelt, mit Ausnahme von Bier. Aber ich wollte mir die Stadt immer schon mal ansehen. Also Ankunft, heiß. Mir ist heiß, Wanda ist heiß und der Dame an der Rezeption vom Campingplatz ist auch heiß. Sie zeichnet mir auf einem Plan acht mögliche Stellplätze ein, die ich aussuchen kann, denn alles andere ist reserviert, sagt sie. Wir marschieren also in Richtung Stellplätze, da sehe ich, die werden schon von Ehefrauen reserviert. Macht man ja offenbar so, dass man Paltz aussuchen geht und einer bleibt dann dort stehen. Der eine bin aber ich und ich muss ja wieder zurück an die Rezeption. Und dann fällt mir ein, es ist Freitag!!!! Na klar. Heute wieder run auf die Campingplätze, weil jeder übers Wochenende rauswill. Wanda und ich gehen also zurück, ist ein ganzes Stück weit zu gehen und dort meint nun ein junger Mann, wenn wir nichts auf den Platz gestellt haben, den wir möchten, müssen wir uns beeilen. Ich sehe eine lange Schlange an Campern entlang der Einfahrt stehen. Also rein ins Auto und auf unseren Platz gefahren, zu Fuß zurück zur Rezeption und bekannt geben, dass wir den Stellplatz Nummer 44 haben wollen und drauf stehen. Der ist richtig hübsch. Mit viel Bäumen, für Wanda.

Zurück am Platz will ich den Strom einstecken und stelle fest, dass meine beiden Kabel nicht reichen. Die Stromversorgung ist hier sehr dürftig. Mir ist vom vielen Rumgehen schon richtig heiß und so nehme ich mein Radl und fahre zurück, bekomme ein Verlängerungskabel. Eines mit hinten und vorne Euro Campingstecker und Buchse. Stecker passt aber nicht an den Verteilerkasten, da braucht man ein Zwischenkabel, sehe ich. Also wieder zurück. Zwischenkabel sind aus. Eine Britin, die gerade eincheckt meint, sie habe einen zweiten Zwischenstecker, sie kann ihn mir borgen. Zurück auf dem Platz stelle ich mit Hilfe eines niederländischen Paares fest, dass hinter der Hecke versteckt noch ein Verteilerkasten ist und mit dem passen auch meine Kabel. Die Britin hat inzwischen ihren gesamten Camper ausgeräumt und hatte eh kein passendes Zwischenkabel. Und nun radle ich zum gefühlt hundertsten Mal zurück an die Rezeption, um das Kabel zurück zu geben. Ich bin schon so irre vor lauter heiß, dass ich nur noch die Tür aufreiße und auf Englisch plärre „Freut Ihr Euch, mich zu sehen?“ „Nein!“ ruft die Dame an der Rezeption.

So. Und nun steht der Strom, ich kann also morgen Kaffee kochen, darum ging’s ja. Und ich? Ich habe sämtliche Pläne, mir die Stadt anzusehen, ad acta gelegt und mir das erste Mal auf dieser Reise vor 17.00 Uhr ein Bier aufgemacht

Tag 48, 3. Juni

Heute lerne ich, dass ich mich auf meine eigenen Pläne verlassen darf.

Der Tag hat nämlich genial begonnen. Ich wache sehr früh auf und außer mir sind nur zwei Briten wach,m die neben mir gezeltet haben. Während ich schick Kaffee koche, mit dem Wasserkocher, machen die beiden Tee am Campingkocher. Ewig warten. Ich kenne das. Fast möchte ich ihnen heißes Wasser anbieten, aber dann denke ich mir, es gab ja mal eine Zeit, da habe ich das so sehr genossen, die erste zu sein, die wach ist und dann da zu sitzen und zu warten, bis das Wasser kocht. Also lasse ich es. Die Route heute ist wirklich weise gewählt und sehr kurz, knapp 300 Kilometer und wir wären kurz vor der deutschen Grenze.

Und dann passiert das, was mir immer noch passiert, aber diesmal noch nicht passiert ist, ich bin also auf dem Weg der Besserung: Ich verändere die geplante Route. Denke mir, es ist doch noch so früh, wir wären kurz nach Mittag am Ziel, da wären doch für heute noch Kilometer drin. Überlegungen solcher Art sind ein Fehler, ich weiß das, aber es passiert manchmal. Also fahre ich weiter, plötzlich habe ich die Grenze passiert, plötzlich bin ich in Karlsruhe, da gefällt es mir nicht, plötzlich bin ich in einem Stau kurz vor Stuttgart. Carissima läuft heiß, ich schalte die Heizung ein, verfluche mich selbst, mache alle Fenster auf und fahre, bevor alles zu spät ist, winkend und Kusshändchen schickend kreuz und quer durch den Stau nach vorn, bis ich endlich an dem Unfall vorbei bin. Der sah übel aus. Das Auto da an der Leitplanke, das war kaum mehr als Auto zu erkennen. Vor dem Wrack sitzt ein Mann auf der Leitplanke, mit einem Kopfverband und starrt leer auf die Fahrbahn.

Es dauert über 20 Kilometer bis Carissima wieder Normaltemperatur hat und ich bin erleichtert. Zwinge mich, an einer Raststätte Halt zu machen, unsympathisch ist das hier, zu heiß, zu voll, zu laut, und zwinge mich dazu, das Zile für heute fest zu legen, bevor hier noch alles schief geht. Ich suche geraume Zeit, bis ich einen Campingplatz halbwegs in der Nähe gefunden habe. Und freu mich sehr, als wir 40 Minuten später dort ankommen, irgendwo am Ende der Welt, auf einem Waldcamping mit sehr netten Leuten. Obwohl ich gefühlt k.o bin, ist es für meine Verhältnisse noch früh. Ich ordere Flammkuchen, den es hier im Campingrestaurant gibt, und bis der fertig ist, arbeite ich sogar noch.

Dass er fertig ist, der Flammkuchen, erfahre ich über einen kleinen Pager, den man mir mitgibt. Die machen das hier, weil sie kein Personal mehr finden und die WArtezeit auf die Speisen geträgt knapp zwei Stunden, weil der Campingplatzbesitzer selbst und allein in der Küche steht. Verrückte Zeiten.

Tag 49, 4. Juni

Damit mir das nicht mehr passiert, das gestern, verpflichte ich mich, meine Pläne heute einzuhalten. Fakt ist: Über dem Alpenraum hängt ein fettes Tief und es regnet, während bis Kempten das Wetter stabil ist. Beim Recherchieren dieser Sache stelle ich aus Versehen fest, dass das berühmte Schloss Neuschwanstein in der Nähe von Kempten ist und beschließe, genau dort Halt zu machen. Das wollte ich nämlich immer schon sehen!

Der Campingplatz in Brunnen am See ist groß, voll und unverschämt teuer, dafür sind die Sanitäranalgen beheizt und es spielt Musik dort. Die Aussicht auf das Schloss eröffnet sich innerhalb weniger Radkilometer und der Sunset ist genial. Kann man also absolut machen.

Und das war’s. Morgen werde ich in Trins, meiner zweiten Heimat, ankommen und erst mal ankommen. Und dann die Sehnsucht wachsen lassen, auf unseren nächsten Trip im Herbst.

Cookie Consent mit Real Cookie Banner