Juni 2022, Teil 1

Erster Juni, Tag 32

Ich erledige meine Arbeiten am Vormittag, denn heute radeln wir nach Amboise! Dort ist nicht nur das berühmte Schloss Amboise, sondern auch das Schloss Le Clos Lucè, der letzte Wohnort Leonardo da Vincis. Der war ja in Italien in Ungnade gefallen und fand hier, unter dem Schutz des Französischen Königs Francois I., seinen Alterssitz. Es sind 25 Kilometer zu fahren und entgegen der „großteils flach“ Behauptung der Routentante fahren wir bergauf und bergab entlang von Weizenfeldern und durch Waldstücke. Ich bin ziemlich froh, als wir in Amboise ankommen und vermerke, dass wir beim Heimfahren unbedingt im Baumarkt stehenbleiben müssen, denn der kündigt eine große Tierabteilung an und Wanda braucht Pfotensalbe.

Le Clos Lucè ist völlig überlaufen, aber ich bin begeistert. Leonarde da Vinci fasziniert mich und ich habe auch das ihm gewidmete Museum in Vinci bei Florenz schon besucht. Das ist übrigens nicht so überlaufen.

Als ich am späten Nachmittag dann in der Altstadt von Amboise ankomme, bin ich bereits gesättigt, ich kann mir nicht vorstellen, auch noch das Schloss Amboise zu besichtigen. Auch wenn es spannend wäre, wo doch meine Lieblingsserie „Art of Crime“ hier ihren Anfang nimmt. Aber Angesichts der Tatsache, dass ich noch 25 Kilometer zurückradeln muss – und Ebike hin oder her, treten muss man ja doch – beschließe ich nach einem kurzen Stadtrundgang, zurück zu fahren. Der Besuch in Clos Lucè war trotz der vielen Besucher ein Traum und man könnte hier einen ganzen Tag verbringen!

Lies auch den Beitrag zu Clos Lucé auf Bullireisen!

2. Juni, Tag 33

Heute besuchen wir das wunderbare Schloss Chenonceau. Es ist nicht so weit zu fahren wie nach Amboise, knapp zehn Kilometer sind es, und Wanda freut sich, wie immer, wenn ich den Radlrucksack auf den Boden stelle. Sie springt dann immer hinein und will nicht mehr raus, als wüsste sie genau, dass radeln für sie auf jeden Fall besser ist als laufen und wir am Ende unserer Tour immer an einem spannenden, neuen Ort ankommen.

Auch auf Schloss Chenonceau ist viel los, doch die Anlage ist so unglaublich groß, dass sich die vielen Menschen ganz gut verteilen.

Der Garten des Schlosses ist unglaublich groß und Wand genießt es, mal wieder richtig zu laufen. Das ist zwar offiziell nicht erlaubt, aber man sieht es nicht, Wanda verwschwindet im hohen Gras und in den Wäldern 😉

3. Juni, Tag 34

So. Heute heißt es mal ein wenig ruhig bleiben und arbeiten. Und was ich ganz vergessen habe ist, dass das das Pfingstwochenende ist. Sprich, der Platz füllt sich im Lauf des Nachmittages mit Campern und aus jedem springen mindestens zwei Kinder. Das wäre kein Drama. Aber es wird zu einem, weil Familien auf der ganzen Welt gleich sind. Wenn sie in ein verlängertes Wochenende fahren, stellt sich jeder etwas ganz unglaublich Tolles vor, das dann nie so wird, weil das Leben halt meist anders ist. Und dann beginnt das Drama.

Um etwa halb elf Uhr nachts dreht die Familie im Camper neben mir durch. Besser gesagt, nur die Mutter. Die schreit und schimpft und nörgelt, Mann, zwei Kinder und drei Hunde schweigen. Nach etwa 20 Minuten, einer gefühlten Ewigkeit, kann icht nicht mehr, reiße die Schiebtür auf und beginne, unflätig in die Nacht hinaus zu schimpfen. Auf österreichisch, versteht also hier keine Sau. Sofort ist Ruhe nebenan und ich könnte in dem Moment 20 Personen in meinem Freundeskreis aufzählen, die sich nun unendlich für mich schämen würden. Ist aber egal. Ich nehme auch unendliche Dankbarkeit aus den Fahrzeugen rundherum wahr, denn die anderen Camper, hauptsächlich Franzosen, mussten ja auch noch vollinhaltlich verstehen, was da gemeckert wurde. Ich jedenfalls beschließe, morgen abzureisen, an einen möglichst unattraktiven Ort.

4. bis 6. Juni

Nachdem ich mir vorgenommen habe, nicht mehr bis an den Rand der Erschöpfung zu fahren, suche ich ein Ziel in etwa drei Stunden Entfernung und finde einen Campingplatz an einem kleinen See. Lac Savenoy. Ich sag mal so. Bei der Planung war nicht ersichtlich, dass der Platz an einem KLETTERPARK FÜR KINDER liegt. Als ich dann aber ankomme, ist mir das Geschrei und Gekreische eigentlich egal, so schlimm wie gestern wird es nicht mehr.

Wir verbringen drei sehr beschauliche Tage mitten im Wald, am Lac Savenay, ich arbeite auf, was liegen geblieben ist, kümmere mich um Organisatorisches daheim und freue mich bereits jetzt, dass mein Telefon ab 17. Juni nicht mehr ins Internet kann. Auf der Liste für zu Hause steht: Neuen Telefonanbieter suchen.

7. Juni, Tag 38

Um 11.32 Uhr überqueren wir den Fluss Aray. Seit geraumer Zeit – oder besser, Strecke – sind die Verkehrsschilder in französischer und bretonischer Sprache beschriftet, das lassen sich die Bretonen nicht nehmen. Knapp hinter dem Fluss Aray fahren wir von der Rue National ab und auf einmal ist alles still. Es ist, als hätte die Zeit selbst beschlossen, auf den ersten Gang zurück zu schalten. In der Bretagne ist man herzlich und freundlich den Gästen gegenüber, doch bleibt man unter sich. Und genauso fühlt es sich hier an. Als würde die Geschichte vergangener Jahrtausende hier immer noch mitreden. Als würden die alten Gemäuer Geschichten erzählen. Als wäre sich hier jeder Baum, jeder Mensch, jede Kuh und jeder Fisch der Vergänglichkeit des Lebens und auch der Zeit bewusst und würde darum ganz langsam und bedächtig auf das Jetzt plädieren.

Es regnet. Ich liebe den Regen in der Bretagne, denn er riecht nicht nur nach Regen, sondern auch nach Meer. Als würde das Meer, angeregt durch die feinen Tropfen, auch wieder einmal ein Wörtlein mitsprechen wollen.

9. Juni, Tag 40

Die Bretagne.

Der Wind weht. Mit Spitzen bis zu 40 km/h. Die Sonne scheint. 11 Stunden am Tag. Das Meer, es riecht nach Tang und Muscheln, nach Salz und nach der Ferne. Und wir, wir sitzen hier. Und manchmal wandern wir auch durch den Wald. Es ist einfach wunderbar.

10. bis 12. Juni

Wir fahren im Schneckentempo weiter, über kleine Strässchen und durch alte Dörfer. Die Zeit wird langsam. Ich auch. Ich schlagen zwischen Pont Aven, Gaugins berühmter Künstlerkolonie, und Concarneau meine Zelte auf. Der Platz ist schön, voller Blumen und alter Bäume, das Wochenende ist nun einmal das Wochenende. Viele Menschen kommen an und fahren wieder, Kinder schreien und ich fahre mit dem Rad. Zuerst nach Pont Aven, von Nevez, dem Nest, in dem ich grade bin, sind das knapp zehn Kilometer.

Pont Aven ist ein schnuckeliges Dörfchen, der Aven ein breiter Fluss, der sich bereits mit dem Meer vermischt und darum gezeitenabhängig ist. Als wir ankommen, ist Ebbe und die Boote liegen traurig auf Grund. In den schmalen Gassen reiht sich eine Galerie an die andere, ein Konservenladen an den anderen. Seit den 1930er Jahren, so wird mir berichtet, gibt es hier Konservenfabriken und es wird in alle Welt geliefert. Das Besondere ist, so finde ich, die Aufmachung. Was hier verkauft wird, ist weit weg von Supermarktkonserven.

Obwohl ich schon früh am Morgen hier war, sind bereits sehr viele Menschen unterwegs – Pont Aven ist nun einmal in aller Welt bekannt. Und eines muss man dem hochtouristisierten Ort ja lassen: Die kleinen Läden sind so ansprechend aufgemacht, dass sogar ich nicht widerstehen kann. Vollgepackt mit Konserven, Salz und neuer Kleidung im maritimen Look radle ich zurück. Erst am Abend sind wir dann wieder unterwegs, es geht nach Kerascoet, einem kleinen Dorf, in dem noch viele der früher üblichen strohgedeckten Häuser erhalten sind. Absolut sehenswert.

Und dann! Dann geht es noch ans Meer. Hier gibt es einen Strand, der aussieht, als wäre man in der Karibik, so heißt es. Der plage de tahiti. Als ich dort ankomme, ist es schon Abend, aber um diese Jahreszeit ist es hier bis elf Uhr hell. Da kann man abends ruhig noch einen Fahrradausflug machen ohne die Panik bekommen zu müssen, sich bei Dunkelheit zu verirren. Was mir ja auch gelingt, wenn es taghell ist…

Am Sonntag dann gehe ich es etwas ruhiger an 😉

Da nämlich besuche ich die Wirkungsstätte von Kommissar Dupin, ein Roman, den ich gerade lese. Darum bin ich ursprünglich in die Gegend um Concarneau gekommen. Das Städtchen ist knapp 15 Kilometer entfernt und wenn man von Süden kommt, landet man an einer kleinen Fähre, mit der man in die Altstadt fahren kann. Die nämlich liegt auf einer Insel und ist von einer Seite durch eine Fußgängerbrücke mit dem Festland verbunden, von der anderen Seite gibt es eine kleine Fähre. Für einen Euro kann ich mitsamt Fahrrad und Wanda also auf die Altstadtindel fahren und bin entzückt. Ja, das ist schön hier!

13. Juni, Tag 44

Heute geht es weiter ans Ende der Welt.

Finis Terre, so heißt das da. Das Ende der Welt.

Vom Ende der Welt aus blickt man dem Atlantik direkt ins Gesicht, heißt es, und wenn er es gut mit einem meint, dann kann man bei Ebbe zu den vorgelagerten Inseln wandern. Ich bin sehr gespannt!

Und so sieht es hier aus 😉

Und hier geht es weiter!

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