Juni 2022, Teil 2

14. Juni, Tag 45

Jaja… das Geräusch. Ich bin etwas verzweifelt, obwohl ich auch ein klein wenig gelassener bin als beim letzten Mal. Immerhin gibt es da irgendwo an der Ardeche einen Mechaniker, der bereits herausgefunden hat, was es ist, auch wenn ich nicht verstanden habe, was er gesagt hat. Also frage ich am Campingplatz, ob jemand einen guten Mechaniker kennt und der Techniker weiß auch prompt einen. Da fahre ich heute morgen hin. Der Mann in der Werkstatt ist sehr nett. Er kann drei Brocken English, aber richtig vertehen tut er nicht, was ich will. Ich nötige ihn, eine Probefahrt zu machen und natürlich ist das Geräusch weg.

„Magic!“ sagt er und zeigt auch sich. Wir lachen. Ich liefere den Mann wieder in der Werkstatt ab, fahre zehn Meter, Geräusch wieder da. Drehe um, fahre zurück, nötige ihn, noch einmal einzusteigen, Geräusch wieder weg. Ich könnte wahnsinnig werden und fluche. Er versteht es eh nicht. ENDLICH, als wir wieder zur Werkstatt hin einbiegen, meldet sich das Geräusch. Er nickt. Legt sich unter Carissima und sucht herum. Ich krame den Translator heraus und sage ihm, dass es da irgendwo hinter den sieben Bergen einen Mann gibt, der eh schon weiß, was es ist. Etwas wiederwillig aber dann doch ruft der Mechaniker den anderen Mechaniker an, sie ratschen ein wenig, er holt einen Wagenheber und macht dann das Gleiche wie der letzte. Ich weiß aber immer noch nicht, was genau. Jedenfalls. Das Geräusch ist weg.

Zurück am Platz heißt es dann ab ans Meer. Es ist unglaublich hier. Man kann zu den vorgelagerten Inseln wandern, wenn Ebbe ist. Eine ganze Stunde wandert man hinaus, am Meeresboden, wo gerade ein schneeweißer neuer Strand entstanden ist, der wenige Stunden später schon wieder verschwunden ist. Unglaublich.

Tag 46 bis Tag 50, 19. Juni

Ich habe KEINE AHNUNG, wo die Zeit geblieben ist. Im Prinzip habe ich ein wenig gearbeitet, mein elftes Buch begonnen und am neunten geschrieben, war jeden Tag am Meer und fluggs sind sechs Tage vorbei. Ich habe KEINE AHNUNG, wie das passiert ist.

Wir sehen das Meer kommen und gehen, finden Muscheln auf Felsen, die später wieder im Meer versinken, Pflanzen am Strand, die an kleinen Felsen wachsen und warten, bis das Wasser wieder kommt, Krebse und Algen. Wir erklimmen die größte der Inseln und schauen hinaus auf den weiten Atlantik, von dem immer ein kühler Wind landeinwärts weht. Und ich mache gefühlt tausend Fotos, weil ich mich einfach nicht satt sehen kann. Außerdem picknicken wir am Strand, lernen andere Menschen mit Hunden kennen und fahren mit dem Fahrrad ins Dorf. Wanda findet das alles sehr beschaulich. Sie liebt nun mal das Meer, so war das immer schon. Diesmal geht sie sogar freiwillig ins Wasser und schwimmt ein Stück.

Die Verkehrsschilder hier sind in einer fremd anmutenden Sprache geschrieben. Bretonisch. Ich habe noch keinen Menschen so reden gehört, doch ich nehme mir vor, fürs nächste Mal ein paar Begriffe zu lernen und die Menschen dann einfach anzusprechen. Ich möchte hören, wie dieses Land wirklich klingt, den französisch, das ist für die Menschen hier nicht wirklich ihres.

„Gesprochen wird Bretonisch nur noch von schätzungsweise 250.000 Personen, und noch einmal so viele verstehen es. Im täglichen Gebrauch wird die Sprache jedoch von weitaus weniger Personen regelmäßig verwendet. Über zwei Drittel der Sprecher sind über 60 Jahre alt“. zitiert Carissima, und bevor ich fragen kann, sagt sie „Wikipedia“. Aha, sage ich. Dann würde ich die 250.001 Peron? Nein, da steht „schätzungsweise“ sagt sie. Aha, sage ich.

Am 18. Juni dreht das Wetter. Vom Atlantik kommt kalte Luft und Regen und die Bretagne zeigt, was sie sonst noch kann. Der Wind kachelt über den Campingplatz, Regen prasselt herab und bevor all das passiert sind wir noch einmal am Meer und man kann schon sehen, dass sich etwas ändert. Dunkelgrau präsentiert sich der Himmel. Den Abend sitzen wir dann im Auto, geschützt vor Blitz, Donner, Regen und Wind und planen unsere Weiterfahrt. Ich würde gern bleiben.

Bei schlimmem Regen und stürmischem Wind fahren wir am nächsten Tag weiter. Ich fotografiere noch aus dem Autofenster Straßenschilder, denn das ist der Abschied aus der Bretagne – am Abend werden wir bereits in der Normandie sein. Über die Route war ich mir bis zum Schluss nicht im Klaren und bin mir selbst unglaublich damit auf die Nerven gegangen, aber nun ist es fix: Mont Saint Michel, die kleine Insel, auf der nur noch 29 Menschen wohnen, wird unser nächster Zwischenstopp. Genaugenommen nicht die Insel selbst, denn dort kann man nicht campen, sondern ein netter Platz etwa 10 Kilometer entfernt. Und damit weit genug weg vom zu großen Trubel.

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