Süden 2016 – Drei

Erster Oktober 2016

Wenn ich versuche 1. Oktober zu schreiben, dann beginnt dieses Programm, eine Aufzählung zu machen und jeder weitere Satz beginnt dann mit 2. Drum lasse ich das lieber. Genauso wie es es unterlasse, meinen super neuen und extrem eleganten USB Hub einzustecken. Das ist ein Ding, das aus einem USB-Anschluss drei macht und mir somit ermöglicht hätte, neben Internet und Maus auch noch meine externe Festplatte plus SUPER Boxen für einen UNWAHRSCHEINLICHEN Sound einzustecken. Wenn ich das mache, meldet mein Computer allerdings binnen einer halben Stunde, dass er einen massiven Fehler fest gestellt hat und jetzt einfach neu hochfahren muss. Bluescreen vom Feinsten. Und dann ist alles weg, was ich nicht gespeichert habe. Was er in dieser Zeit sonst noch macht, weiß ich nicht. Vielleicht bucht er einen schönen Urlaub für mich oder bestellt eine Saftpresse oder eine Getreidemühle. Vielleicht meldet er mich aber auch für das Seminar „Gewaltvorsorge bei digitalen Problemen“ an. Wer weiß?

Ich war heute jedenfalls einkaufen, in Assisi, und bin auch in einer Kirche gelandet. Das ist gut und richtig, denn in meinem Kopf ist ein kleines Durcheinander und das lässt sich in der Kirche gut ordnen. Während ich da also sitze, mit dem Kopf in den Händen, und Gott den Herrn um ein wenig Ordnung in meinem Kopf und wenn es leicht geht auch in meinem Leben bitte, klopft mir ein Mönch auf die Schulter. Mit Mönchs-Outfits kenne ich mich ja besser aus als mit Gesichtern, der Mann ist sicher Kapuziner, aber ob er Japaner, Koreaner oder Taiwanese ist, weiß ich nicht. Er meint in flüssigem Italienisch, dass er meine Andacht kurz stören müsse, es täte ihm sehr leid, er würde auch nicht lange dauern. Nachdem eines der wenigen Dinge, die ich auf italienisch sagen kann, VA BENE ist, sage ich das. Porca Miseria hätte ich auch noch gekonnt, aber das fand ich in dieser Situation unpassend.

Binnen einer Minute füllt sich die kleine Kirche Santo Stefano mit Japanern, Koreanern oder Taiwanesen und der junge Mönch steht vorne und beginnt sehr leise in ein Mikrophon zu sprechen, um meine Andacht nicht zu stören, während das, was er sagt, von der Gruppe über Kopfhörer gehört wird. Zwischendrin wird verlegen mit Schokoriegeln geraschelt, ja, die Truppe ist sichtlich erschöpft. Bevor ich meinen üblichen unerschütterlichen Lachkrampf kriege, verlasse ich die Kirche. Und stelle fest, dass ich fast ein Stunde drin war. Und mehr Ordnung ist jetzt auch. Manchmal kann das Leben sehr einfach sein.

 

 

2. Oktober

Schau an. Wenn man mit 2. anfängt, dann verzichtet die Maschine auf weitere Aufzählungsvorhaben. Heute regnet es und ich bin froh, dass ich gestern Abend alles dicht gemacht habe. Als ich aus dem Auto steige, stehe ich in einer Schlammlacke, die sich wie ein See vor mir ausbreitet und aus meinen Crocks rinnt der Schlamm. Wenigstens rinnt bei diesen Schuhen alles, was reinrinnt auch wieder raus. Heute also Regen, darum Arbeitstag. Ich gehe in die Rezeption, um über 4 Giga Daten herunterzuladen, was hier schneller geht als am Platz und trotzdem fünf Stunden braucht. Nebenbei versuchte ich, eine WordPress Seite davon zu überzeugen, dass sie ein Openstreets Plugin zulässt, stelle einige Texte fertig und beobachte das Geschehen in der Rezeption. Ich liebe Campingplatz Rezeptionen. Eindeutig. Das Personal ist hier viel weniger geschult als in Hotels, meist gar nicht, man verweigert mehr als eine Fremdsprache und meist sogar die und ganz vorneweg verweigert man hier, deutsch zu sprechen. Ich zerberste innerlich, als eine Frau lautstark versucht, der Dame an der Rezeption klar zu machen, dass der Zwischenstecker, den diese ihr soeben gegeben hat, sicher nicht mit ihrem Föhn funktionieren wird. Sie sieht das. Die Rezeptionistin, die mich immer sehr freundlich mit „salve“ empfängt – was mich immer ein wenig wie Cäsar fühlen macht, oder war das ave??? – ist extrem angespannt und hat die Schnauze nach dem dritten Satz voll. Die Dame merkt das nicht. Und, sie ist zu meinem Vergnügen von jener Spezies, die glaubt, wenn man deutsch LAUT spricht, verwandelt es sich durch Zauberhand in jede gewünschte andere Sprache. Tut es aber nicht.

Nachdem die Rezeptionistin bereits leise zu fluchen beginnt, biete ich der Dame an, mir das anzusehen und zeige ihr anhand meiner umwerfenden technischen Fähigkeiten, dass dieser Zwischenstecker tatsächlich in die italienische Steckdose passt und tatsächlich meinen Ladegerätstecker in sich aufnimmt. Was er also auch mit dem Stecker ihres Föhns machen wird. „Aber das sieht ganz anders aus!“, ruft sie, „ich verstehe das nicht“. „Man muss ja nicht alles verstehen“, meine ich, probieren Sie’s doch aus. Hartnäckig bleibt die Dame an meinem sonntäglichen Arbeitsplatz stehen und versucht, zu begreifen, wie das gehen kann. Hinter ihr bekommt die Rezeptionistin bereits Atemnot. Ich erkläre der Dame, dass italienische Steckdosen zwei Ausnehmungen haben, ganz dicht beieinander, das sieht man vielleicht nicht auf den ersten Blick… und darum… ENDLICH. Sie glaubt, begriffen zu haben und zieht glücklich von dannen.

Die Rezeptionistin auch, die sich mit einem „Ciao“ in den Feierabend verzieht. Ich kämpfe noch immer mit Openstreetsmap, als der nette Mann vom letzten Jahr, bei dem ich auch dieses Mal wieder eingecheckt habe, auftaucht. Er ist sehr fasziniert von dem, was ich mache und seit er weiß, dass ich Bücher schreibe, will er dauernd mit mir reden. Was irgendwie doof ist, weil mein Italienisch irgendwo in mir steckt und ich tausendmal mehr verstehe als ich sprechen kann und er weder deutsch noch englisch spricht. Dennoch lässt er sich fasziniert erklären, wie ich openstreetsmap auf einer WordPressseite eingebunden habe. Dann muss er an die Rezeption, denn eine große Gruppe ist angekommen. 21 Personen sind es, mit mehreren Zelten, so versucht der Mann, der laut deutsch spricht, zu vermitteln. Ich denke mir, dass es jetzt langsam reicht und die Gruppe hoffentlich nicht neben mir die Zelte aufschlägt. Speichere also mein sonntägliches Werk, verabschiede mich eine Weile später von dem netten Mann, mit dem ich nicht reden kann und gehe zurück. Und da steht sie, Carissima. Inmitten eines Zeltdorfes. Wir sind so betrachtet der Eingangsbereich zum Versorgungszelt.

Ich verstehe die Wahl des Platzes mehr als gut, die Nähe zu den Duschen, die großen Flächen… und finde es trotzdem etwas öd, sich mit Zelten für 21 Jungscharjugendliche so mitten zwischen drei einzelen Campingfahrzeuge zu klemmen. Man könnte ja annehmen, dass diese drei sich ABSICHTLICH so weit voneinander aufgestellt haben, weil sie irgendwie ihre Ruhe möchten. Aber, mein Gott. Mir ist das letztes Jahr auch mal passiert. Und so packe ich zum ersten Mal im Leben wortlos meine Sachen. Stopfe alles in den Bus, sogar den nicht abgebauten Tisch und fahre einfach ein paar Plätze weiter. Der Campingplatz ist ja, wohlgemerkt, riesig. Und kurz darauf stehe ich unter einem Baum und höre die Vögel zwitschern. Radikale Abreisen hätte ich schon früher im Leben entdecken sollen. Hat was.

 

 

Und hier noch zwei hübsche Videos, wovon mich eines in Besorgnis versetzt. Im Moment ist mein Papa dran, aber sollte sonst noch jemand gute Ideen haben, freue ich mich natürlich über sachdienliche Hinweise, was den Geräuschunterschied angeht, auf info@astrologie.im – DANKE:

 

 

Danke Papa und Mani von der Oldiegarage für die Erstdiagnose! Ich bleibe dran und werde berichten! Spruzzo per cinghia del ventilatore, das ist übrigens laut Google Übersetzung der Keilriemenspray. Mal sehen, was ich wirklich mit diesen Worten erwerbe…

4. Oktober 2016

Wenn Du in einer italienischen Stadt von Italienern nach dem Weg gefragt wirst, und Auskunft geben kannst, dann bist Du für einen Reisenden schon ein wenig zu lange an einem Ort. „WIR REISEN AB“, brülle ich darum um halb acht Uhr in der Früh. „Sir, yes, sir“, brüllt Carissima und steht stramm, so stramm, wie ein VW Bus eben stehen kann. „ABER ERST MORGEN“. schreie ich in den Tag hinein und sie steht noch strammer. Weil heute nämlich der Festtag des Heiligen Franziskus ist, sage ich. Gut, sagt Carissima. Wirst Du morgen früh anspringen? JAWOLL! Und die Klappergeräusche sein lassen? Jetzt kümmere Dich doch um Deinen eigenen Kram, mault sie, Klappergeräusche bis zu 12 Minuten vor dem Warm werden können von den Hydrostößeln der Ventile herrühren und sind unbedenklich. Woher zum Teufel hast Du denn das? Im Internet gefunden, sagt sie. Aha, sage ich. Sie sagt nichts mehr. Wahrscheinlich surft sie wieder im Netz.

Ich mache mich nach einem halben Arbeitstag auf den Weg nach Assisi, pflücke unterwegs noch herrlich reife Hagebutten für den Frühstückstee, den ich einzuführen gedenke, wenn der Kaffee aus ist und kaufe mir erst mal eine neue Gelsenspirale, also besser gesagt acht Stück davon. Sollten wir es schaffen, werden wir in Bälde in Pinienwälern hausen und ich weiß, wie verrückt da die Viecher sind. Auf dem Weg in die Altstadt überredet mich eine Dame vom Roten Kruez, ein Los zu kaufen und ich gewinne tatsächlich mit der Nummer 55 eine widerlich stinkende Duftkerze, die vermutlich alle Gelsen der Welt von mir fern hält. Wunderbar, die werde ich heute abend gleich teste. Mille Grazie, rufe ich entzückt und bekomme auch noch ein Foto mit den beiden Ladies.

In meinem Lieblingsladen am Hauptplatz, bevor man zur Kathedrale kommt, kaufe ich auch noch eine Karte von Süditalien, denn meine reicht nur bis Pescara. Eigentlich hätte ich ja jetzt alles, aber ich möchte noch einmal zur Kathedrale, vielleicht passiert da heute was ganz Besonderes. Und das tut es tatsächlich. Angeblich, so munkelt man auf den Straßen, hat sich der Papst kurzfristig angesagt. Ich kann das nicht recht glauben, finde den Plan, sowas kurzfristig zu machen, aber genial, weil dann spart man sich den Menschenauflauf und das Papamobil. Oder halt zumindest den Stau auf den Straßen. Als ich auf die Kathedrale zugehe, bestätigt sich das Gemunkel. Die RAI ist angereist, mit zwei Ü-Wägen, einem Aggregat, zwei fixen Kameras vor der Kathedrale und einem beweglichen Team. Die Steady Cam für „die ganz besonderen Einstellungen“ ist vermutlich schon in der Kirche.

 

 

Ich postiere mich neben einer Gruppe sehr aufgeregter Amerikaner und warte auf den Papst. Die Menge Schaulustiger ist überschaubar, das Polizeiaufgebot bemerkenswert und Sonne brennt herunter, als wären wir in der Sahara. Hinter mir steht der RAI-Kameramann auf seinem Podest und schwitzt in ein Taschentuch. Dem Anlass entsprechend trägt er Anzug und Krawatte. Wie bei uns, wenn Festspiele sind, da waren die Kamerabuben auch immer so schick. Plötzlich bewegt sich unten am Platz die Menge, Ordner beginnen, die Gitter wegzuräumen. Ein barfüßiger Pilger rennt in die Mitte des Platzes und brüllt los, der Papst kommt nicht, der Papst kommt nicht, aber wir sollten trotzdem guten Glaubens sein und uns nicht vom Weg abbringen lassen. Nein, es ist nicht der Geist über mich gekommen, er schreit das Ganze sowohl italienisch als auch englisch in die Welt hinaus. Um den Mann formiert sich eine Gruppe, die andächtig lauscht. Der Amerikaner neben mir gibt auf. „The Pope’s not coming“, meint er, packt seine Kamera weg und geht. Der Kameramann hinter mir spricht aufgeregt in sein Mikro, legt dann das Headset ab und geht zum Ü-Wagen. Ich denke mir, solange die RAI Ihre sündhaft teuren Kameras hier rumstehen lässt, bleibe ich.

Auf dem Platz holt inzwischen ein Mönch die Polizei und ich denke mir, am Ende bricht nun in der Kircher gerade der Aufstand aus, weil der Papst nicht kommt. Dann höre ich hinter mir ein Kettenrasseln und siehe da, die Techniker der RAI bauen ab. Befreien die sündhaft teure Kamera von ihren Sicherungsketten und packen ein. Dann gehe ich auch. Und das war der Tag, an dem ich fast den Papst gesehen hätte. Immerhin gab es dann aber noch einen richtig schönen Umzug in die große Kirche. Mit Fahnenträgern und allem drum und dran.

 

 

Gegen Mitternacht packe ich meinenWerkzeugkoffer aus. Was’n los, fragt Carissima. Baby, ich weiß jetzt, wie’s geht, stammle ich, völlig übermüdet von Expertengesprächen.

NEIN, kreischt sie, NEIN, das machst Du nicht………………………………..

 

 

Ich wache von meinem eigenen Schreien auf. Setze mich auf, schalte das Licht ein und kontrolliere meine Hände. Kein Öl. Außerdem liege ich verschwitzt auf dem Motordeckel, also werde ich da drin wohl nichts gemacht haben. Der Werkzeugkoffer steht auch auf seinem Platz. Ich drehe mich um und schlafe noch ein wenig.

Süden 2016 Teil 1

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