Dezember

Um ungechlortes, frisches Trinkwasser zu bekommen, fährt man hier nach Lucainena, einem Ort, etwa zehn Kilometer entfernt. Hier gibt es eine frische Quelle, das Wasser kann man am Dorfplatz holen. Alle Menschen fahren hierher, mit Kanistern und Flaschen, um das besonders gute Wasser zu holen.

Am Mittwoch ist immer Markt in Tabernas. Hier bekommt man das gute Gemüse von den Bauern, denn das spanische Gemüse, dass man im Supermarkt bekommt, kommt aus den Glas- und Plastikhäusern. Diese Pflanzen sehen nie auch nur ein Gramm Erde, sie stecken in Nährlösung und geben auf diese Art drei Ernten im Jahr ab. Das gilt auch für spanisches Gemüse in unseren Supermärkten. Ich würde darauf verzichten, werte Leser und Leserinnen. Mittwochs am Markt aber stehen die Bauern mit ihrem echten Gemüse, verschrumpelt und voller Erdklumpen und das ist gut so. Es gibt auch Honig, frische Feigen, Trauben und Mandarinen, Wintermäntel und billige Dekorationsobjekte und Pflanzen. Ich kaufe Obst und Gemüse für eine Woche und einen Weihnachtsbaum.

Tag 100, 5. Dezember

Ein kleines Jubiläum, so lange am Stück war ich noch nicht on the road. Es ist gut, an diesem Punkt anzukommen. Bisher gab es viele Parallelen zu anderen Reisen, die bisher immer Umkehrpunkte dargestellt haben. Probleme mit Carissima, umdrehen, reparieren lassen, das war Griechenland 2016, Land und Leute gefallen mir nicht, das war Südengland 2018, ich mag nicht mehr, das war Italien 2015, meinem Hund ist es zu heiß, das war Frankreich 2017. All diese Situationen sind mir auch jetzt begegnet, Carissima hat mir einige Male ziemliche Sorgen gemacht, Portugal hat mir nicht gefallen, ich habe mich mit dem Land angefreundet und hatte das Gefühl, jetzt sei „es fertig“, Zeit zum Umkehren. Und dennoch bin ich weitergefahren und ich weiß, dass es gut war.

„Du langweilst Deine Leser zu Tode mit Deinem Gelaber“, meldet der Blues von hinten. Er hat das Angebot, auch heute am Beifahrersitz Platz zu nehmen, ausgeschlagen und liegt nun gemütlich auf meinem Bett. In Tabernas war er verschwunden, für einige Tage, und ist nun mit sporenbestückten Cowboystiefeln zurück gekommen. Warum diese völlig verstaubt und ausgelatscht sind, wollte er nicht verraten, ich nehme an, er ist Irgendjemandem so auf die Nerven gegangen, dass er in der Wüste ausgesetzt wurde. „Hast Du auch reiten gelernt?“, frage ich und muss mich bemühen, nicht laut zu lachen. „Für jemanden, der gerade Schwachsinn schreibt, bist Du gut gelaunt“, meldet er zurück. „Was soll ich denn schreiben, Deiner Meinung nach“, frage ich. „Du hast Deinen Lesern versprochen, über die Suche nach dem Glück zu schreiben“, sagt er, „und nun laberst Du über abgebrochene Reisen und all diesen Psychoquatsch“.

Wir fahren auf der N340 Richtung Osten, parallel zur Küste. Die Berge der Wüste haben sich verabschiedet und vor uns liegen zerklüftete Felsformationen mit grünen Ansätzen, der viele Regen bringt die Landschaft zum Blühen. Die ersten Orangenbäume kommen in Sicht. Ich sauge die Landschaft ein, mein Herz ist weh, ich will nicht weg. Es ist mir schwer gefallen, eine Entscheidung zu fällen, aber irgendwann muss eine Entscheidung fallen. Ende Jänner sollte ich zu Hause sein. Wenn möglich mit einem gut funktionierenden, wohlstrukturierten Arbeitsumfeld. Das entsteht nicht über Nacht. Ich habe mir für den Jahresbeginn so viele Seminare eingeteilt, dass dazwischen keine Zeit zum Strukturieren bleiben wird, das hat vorher zu geschehen. Also muss ich wohl Mitte Jänner eine fixe Basis haben, um von dort aus zu agieren. „Blablabla“, sagt der Blues. Ich will nicht nach Hause hetzen. Ich will mir Zeit nehmen, um diese Reise ausklingen zu lassen. Und das ist garantiert ein Stück auf dem Weg zum Glück: Zu wissen, wieviel Zeit man für Dinge braucht und sich diese Zeit auch zu nehmen. Die meisten Menschen haben keine Zeit für Dinge, die ihnen am Herzen liegen, sie dürfen sich diese Zeit nicht einfach nehmen, weil schlicht keine Zeit übrig ist in all dem Trubel der Welt. Wenn eine Reise dieser Art eines aufzeigt, dann ist es wann und wo man sich Zeit nehmen kann – und auch muss. Und das macht unglaublich glücklich, wenn man es erst einmal kapiert hat. Das dauert seine Zeit. Wieder die Zeit. Und wir haben auch eine Frage zur Zeit bekommen. Eine Leserin berichtet, dass sei gerade Zeitmillionärin geworden sei, jedoch ein Problem mit dem Fokus habe. Was tut man nun mit all der Zeit, will sie wissen, denn ganz nebenbei stellt sich ja auch die Frage nach dem Geld. Zeit und Geld sind zwei Faktoren, die sich in unserer Welt, unter ganz normalen Menschen, nicht sehr gut vertragen. Entweder hat man nämlich keine Zeit, um das zu tun, was man gern tun würde, weil man dauernd arbeiten muss oder aber man hat keine Arbeit mehr und alle Zeit der Welt, was a la long dann auch nicht geht, weil man von etwas leben muss. Das zu tun, was man liebt und damit genügend Geld zu verdienen, um leben zu können, gelingt ganz wenigen Menschen. Die Frage die sich stellt, lautet also: Wie macht man das? Und wie geht man mit der Unsicherheit, der Planlosigkeit um, die dann so manches Mal von einem Besitz ergreift? Kluge Fragen.

Die Unsicherheit ist ein wenig wie ein wilder Stier. Wenn man sie aus weiter Ferne sieht, sieht sie klein aus und klar erkennbar. Sie grast auf einem trockenen Stück Land, irgendwo am Horizont, und man ist sich sicher, dass man genau weiß, was zu tun ist, wenn sie näher kommt. Davonlaufen ist keine gute Idee, denn Stiere reagieren auf Bewegung. Jemanden um Hilfe zu fragen, ist auch keine gute Idee, denn der eigenen Unsicherheit kann man nur selbst begegnen. Man muss stur stehen bleiben und sie fixieren. Versuchen, sie immer klar zu erkennen. Das ist anfangs sehr schwierig, denn wenn dieser große, muskulöse Stier auf einen zurennt, bekommt man Angst und Angst sorgt generell dafür, dass die Fluchtreflexe anspringen. Das bedeutet, man könnte in diesem Moment eher einen 1000 Meter Lauf gewinnen, als klar zu sehen, geschweige denn, klar zu denken. Alles Blut fließt in die Muskeln, das Adrenalin stürzt in Bächen in den Körper, alle Funktionen stehen auf „Flucht“. Will man also mit dieser Unsicherheit umgehen lernen, so gilt es, immer wieder zu üben. Immer wieder zu versuchen, dem wilden Stier in die Augen zu blicken. Das ist eine verdammt harte Übung. Und es ist eine Lebensaufgabe. Nach einigen Jahren wird man erkennen, dass es Momente gibt, in denen es leichter fällt und welche, in denen es schwerer fällt. Und manchmal, da gibt es Momente, da starrt man angestrengt auf den Horizont und die Unsicherheit, in Form von Existenzangst, der Angst, versagt zu haben, der Angst, eine falsche Entscheidung zu treffen, der Angst, dass diese Welt nicht zu retten ist, es gibt unzählige Formen dieser Unsicherheit, kommt von hinten und trampelt einen gnadenlos nieder. Das Schwierigste danach ist, einfach aufzustehen, sich den Staub von der Kleidung zu klopfen und weiterzumachen.

Mit der Planlosigkeit ist es ähnlich, denn auch sie führt zu Ängsten. Zu wilden Stieren, die da draußen auf der Wiese stehen und darauf warten, los galoppieren so können.

„Blablabla“, sagt der Blues. Er hat mittlerweile seine verdreckten Stiefel ausgezogen und versucht, sie mit Spucke und einem Stück Küchenrolle zu säubern. Damit ihm die Spucke nicht ausgeht, hat er meine letzte Dose Bier aus dem Kühlschrank genommen. Wenn er mit der Küchenrolle an den Stiefeln rubbelt, klirren die Sporen wie in einem alten Western. „Warum erzählst Du nicht weiter von Frank“, fragt Carissima, „dann hält er endlich die Klappe!“. Eine gute Idee.

Der Tag, an dem alles begann, so richtig schief zu laufen, begann mit einem unglaublichen Sonnenaufgang über den Bergen. Frank war früh aufgewacht, weil einige Jugendliche, die in dem Hotel ein paar Straßen weiter untergebracht waren, lärmend an seiner Hütte vorbeigezogen waren. Frank wunderte sich, als er in diesem Alter gewesen war, wäre er nie und nimmer um diese Uhrzeit aufgestanden, keine Chance. Er hatte die jungen Leute schon ein paar Tage beobachtet, sie waren Hobbyfotografen und immer in ihrer Gruppe unterwegs. Abend für Abend waren sie zu den rosa Felsen gewandert, laut schnatternd, mit Kameras und Picknickausrüstung bewaffnet. Beneidenswert, der Schutz der Gruppe, dieser Rückhalt, Blödsinn machen und Blödsinn reden und keinen kümmert es. Gemeinsam lachen. Frank hatte sich eine große Kanne Kaffee gemacht und saß nun vor seiner Hütte. Tag 3 von Madam’s Anwesenheit, er hatte also heute keine Verpflichtungen. Ob sie zufrieden mit dem Garten war? Ob er in der Zwischenzeit etwas anderes tun sollte? Wer weiß, wie lange sie bleibt, dachte Frank. Alles, was ich jetzt beginne, muss ich dann wieder aufhören. Ganz tief drinnen wusste er, dass das nicht ganz stimmte. Die Gartenarbeit nahm nur vier Stunden pro Tag in Anspruch. Er war einfach faul geworden. Die Schreiberei. Die Schreiberei hat mich in den Aktivitätsruin getrieben, dachte Frank. Er hing so sehr in seiner Schreibsperre fest, dass alles andere als nicht machbar, unüberwindbar schien. Er hatte gehofft, dass es hier, in der Ruhe, am Meer, besser werden würde, das war aber nicht geschehen.

Der Tag, an dem alles begann, so richtig schief zu laufen, hatte mit einem unglaublichen Sonnenaufgang über den Bergen begonnen. Zur Mittagszeit hatte sich eine für die Jahreszeit ungewöhnliche Decke aus Trockenheit und Hitze über die Küste gelegt und Frank saß noch immer vor seiner Hütte. Zwei vorbeikommende Touristen hatten zwei Euro in einen Blumentopf geworfen, den er am Vortag vergessen hatte, nach drinnen zu räumen. Frank setzte seine Sonnenbrille auf. Ob er versuchen sollte, seine Eindrücke nun endlich zu Papier zu bringen? Diese sonderbare Reise, auf die er sich begeben hatte? Es dauerte eine weitere Stunde, bis sich Frank vom Anblick des Meeres und der Sonne, die es in oranges Licht tauchte, zu lösen. Dann schlurfte er nach drinnen und holte sein kleines Buch. Er hatte es immer bei sich gehabt, als er ziellos an der Promenade entlang marschiert war, tagelang, hatte auch noch versucht, bei seinem einsamen Bier in seiner Bar etwas zu schreiben. Das Ergebnis war traurig, lächerlich gering, die Sprache nicht zufriedenstellend, alles in allem Schrott. Frank befand, dass er sich in eine Schreibkrise manövriert hatte, im Lauf der vergangenen Jahre, und dass der Weg hinaus für ihn noch nicht sichtbar war.

Tag 103

Die Standheizung läuft und gibt ihr Bestes, um Carissimas Scheiben frei zu bekommen. Draußen strahlt die Sonne vom Himmel, es ist halb neun Uhr morgens und hat acht Grad. Im Radio laufen Weihnachtslieder und einige Meter entfernt schleicht eine Katze um eine Palme. Weihnachten in Spanien. Ich vermisse den Schnee, der, wenn man ehrlich ist, zu Weihnachten auch zu Hause meistens fehlt. Salzburg ist nicht das klassische Weihnachtswunderland.

Heute erzähle ich von Jill, die diesen Campingplatz in der Nähe des Städtchens Dolores betreibt.

Jill betreibt ihren kleinen Campingplatz seit 2004. 12 Camper finden hier Platz und seit einigen Jahren ist Jill zu Weihnachten immer fix ausgebucht. Die Überwinterer kommen pünktlich im Oktober und bleiben dann bis März oder April. Als Mitte September diesen Jahres die heftigen Regenfälle einsetzten, waren ihre Stammgäste noch nicht vor Ort. „Es hat wahnsinnig viel geregnet“, erzählt Jill, „es war wirklich bedrohlich. Aber das Land hat das gut weg gesteckt, wenn es in den Morgenstunden nachgelassen hat, lief auch das Wasser wieder ab.“ Von anderen Campingplätzen hörte sie Schlimmeres, vier in der Umgebung mussten evakuiert werden. Seit 40 Jahren hat es nicht mehr so heftig geregnet in der Region.

Den Regen an sich hätte man noch verkaften können, meint Jill. Doch am 13. September beschloss man, das Wasser des etwa 40 Kilometer entfernten Santomera Staudamms abzulassen. Der Damm drohte zu brechen und hätte in diesem Fall die Großstadt Murcia überschwemmt. Vielleicht kam die Entscheidung zu spät, vielleicht ging das Ablassen des Wassers zu schnell vor sich. Vielleicht hat man eventuell Betroffene zu spät oder gar nicht gewarnt. Tatsache ist aber, dass die Flüsse, Bäche und Kanäle im Umfeld von Dolores das Wasser nicht transportieren konnten, das der Staudamm freigab. „Plötzlich war es, als würde ein Fluss daherkommen, der vorher nicht da war“, erzählt Jill, „ich bin zu meinem Auto gelaufen und habe erst einmal das in Sicherheit gebracht, denn ohne Auto kommst Du hier nie mehr weg“. Jill parkt ihren Kleinwagen etwa 400 Meter weiter auf einer kleinen Anhöhe und eilt dann zurück, um ihren Jeep zu holen, das Zugfahrzeug, mit dem sie die abgestellten Wohnwägen ihrer Dauercamper hätte retten können. „Als ich zurücklief, war das Wasser plötzlich hüfthoch. Der Jeep war verloren. Ich habe meine Tiere ins Haus gebracht und erst einmal abgewartet“, schildert Jill. Ihr Haus ist zum Glück zweigeschoßig. Sie zeigt mir, wie hoch das Wasser war. Der lange Stiegenaufgang zur Haustür hat dieses Haus gerettet, die Schlammmassen kamen nicht bis in die Wohnfläche.

Jill harrt aus. Sie bringt alles, was ihr wichtig ist, in den ersten Stock des Hauses. Drei Ziegen und ihre Hühner bleiben im Wintergarten, Hunde und Katzen kommen mit nach oben. Die Armee rückt an. Nachbarn, die es nicht mehr geschafft haben, werden mit dem Hubschrauber von den Hausdächern gerettet. Jill weigert sich, zu gehen. „Ich hätte meine Tiere nie im Stich gelassen“, erzählt sie. Als das Wasser zurückgeht, begreift sie das Ausmaß der Zerstörung erst kaum. Sämtliche Wohnwagen ihrer Kunden sind zerstört, Zäune, Stellflächen, Sanitäranlagen und Swimmingpool mit Schlamm überzogen. Waschhäuschen und Aufenthaltsraum sind unbenützbar, wie alles andere auch. „In diesem Moment wollte ich aufgeben“, sagt Jill. Warum sie nicht aufgegeben hat? „Ein Freund aus England kam sofort und hat zehn Tage geschuftet. Er hat den Schlamm aus dem Pool geschaufelt, Zäune repariert, Mauern wieder aufgestellt, gestrichen und gearbeitet wie ein Tier“, erzählt sie, „und als er wieder abgereist ist, wusste ich, jetzt kann ich nicht mehr aufgeben“. Jill sagt alle Buchungen für diesen Winter ab und macht sich an die Arbeit. Zwei Campinggäste, die trotz des Desasters bei ihr ankommen, helfen mit. Das war vor knapp drei Monaten. Noch ist nichts so, wie es vorher war. Im Moment wäscht Jill Weihnachtsschmuck und sieht nach, was davon sie noch gebrauchen kann. Für Fälle wie diese gibt es einen Katastrophenfonds. 1.000 bis 5.000 Euro wurden fix zugesagt, für jeden betroffenen Haushalt. Lächerlich wenig, wenn man allein an die betroffenen Fahrzeuge denkt. Bis jetzt, so erzählt Jill, hat noch niemand aus der Gegend auch nur einen Cent bekommen.

Tag 106, 11. Dezember 2019

Gestern Abend sind Iris und Gordon vorbei gekommen, hier in Dolores. Die beiden habe ich in meiner ersten Woche in Portugal kennen gelernt, ein Jahr haben sie sich Zeit genommen für ihre Reise. Unser Treffen ist vertraut, als würden wir einander lange kennen, wir tauschen Geschichten aus, trinken Bier, fachsimpeln über „was man am Auto nächstes Mal anders machen würde“. Iris und Gordon sind auf dem Weg nach Barcelona, dort wollen sie eine Fähre nach Italien nehmen. Sie haben heute Halbzeit, ein halbes Jahr auf Reisen, ein halbes Jahr im T4. Unser Gespräch und der Blogbeitrag der beiden regt mich an, auch nachzudenken, was ich nächstes Mal anders machen würde oder was verbesserungswürdig ist. Dabei geht es bei mir eher um innere Angelegenheiten, merke ich. Ich möchte, wenn ich das nächste Mal fahre, entweder eine Wohnung haben, in die ich jederzeit zurückkehren kann, mit meinem ganzen Krempel drin oder aber keine fixen Veranstaltungen, wenn ich zurückkomme. Beides zusammen – fixe Termine und keine Wohnung – das geht einfach nicht, denn meine Unterlagen, Materialien, Bücher und Seminarideenkisten sind nun aufgeteilt auf drei Schauplätze und ich bin schlicht nur überfordert. Das ist eine große Erkenntnis für mich, dass eben nicht alles geht. Aber gleichtzeitig ist es eine große Erleichterung, denn das lässt sich ja einfach korrigieren. Ich nehme mir vor, auf diese Eckdaten zu achten, wenn ich das nächste Mal aufbreche. Und das werde ich auf jeden Fall.

Es fühlt sich unglaublich komisch an, nun auf dem Weg nach Hause, ja richtig nach Hause zu sein, ich freue mich, fühle mich trotzdem komisch, habe Angst, dass die Reise zu aprupt zu Ende geht und realisiere trotzdem, dass ich noch 2.500 Kilometer vor mir habe, das bedeutet, bei meinen Tagesetappen fahre ich noch zehn Tage nach Hause. Eher mehr.

Draußen tobt nun ein Sturm, die Palmen biegen sich und es ist empfindlich kalt geworden, gestern sicher einstellig, meinte Gordon. Heute ein wenig mehr, denn es ist bewölkt und das hilft. Ich denke an all die wunderbaren Menschen, die ich kennen gelernt habe, auf dieser Reise und auf den Reisen zuvor. Viele davon sind in meinem Leben geblieben, Angela, Mareike und Stefan, Wolfgang, Sue, Tobias, Iris und Gordon, manche sind wieder verschwunden. Ich bin unglaublich gespannt, wohin uns die kommenden Tage bringen werden, wo wir zu Weihnachten sein werden und natürlich, ob der Blues zum Weihnachtsessen anwesend sein wird. Er hat gestern nämlich behauptet, die Weihnachtskrippe von Dolores besichtigen zu wollen und ist seitdem nicht mehr aufgetaucht.

Mit der Weihnachtskrippe hat es etwas Besonderes auf sich, wie mit allen Krippen in Spanien. Jedes Dorf stellt eine auf, riesig, meist vor der Kirche. Die Krippen sind leibevollst gestaltet, mit echten Pflanzen, wirklichen minikleinen Wasserfällen oder Töpfen, in denen wirklich Wasser kocht. Es ist eine kleine Landschaft auf 15 Quadratmetern, die zu leben scheint. In der Krippe von Dolores wird jedes Jahr eine Figut versteckt, die gerade aufs Klo geht. Kein Witz. Der kleine Mann hockt da und streckt seinen nackigen Hintern in die Sonne. Und wer diese Figur sieht, hat unglaubliches Glück, sagt die Legende. Ich habe ihn gesehen! Und einen halben Tag später löst sich mein Wohnungsproblem in Luft auf. Ich kann das nicht glauben, anfangs, aber es ist so. Ich habe ab dem Zeitpunkt, an dem ich zurück nach Österreich komme, eine Wohnung, die beheizt ist, in der Wanda willkommen ist und in der es still ist. Die drei Kriterien, die neben der Tatsache, dass die Wohnung von meinem Einkommen bezahlbar sein muss, sind plötzlich erfüllt, einfach so, mit einem Wimpernschlag. Es ist nicht für immer, wir haben noch nicht über die Dauer gesprochen, aber ich bin guter Dinge. Denn wenn ich aus der Wohnung raus muss, das weiß ich jetzt ganz genau, dann gibt es eine Reise ohne durchgetaktetes Leben danach. Ich weiß, hier spricht ein wenig der Neid, denn ich habe den Erzählungen von Iris und Gordon mit glühenden Backen gelauscht… ein wenig neidig auf ihre Freiheit, ob meiner festen Arbeitstrukturen, auch unterwegs. Ich bin die eiserne Arbeitsstruktur, sagen alle, die ich unterwegs kennenlerne. Sie fassen es nicht, dass ich tatsächlich jeden Tag arbeite, egal wie schön das Wetter ist, egal, was passiert.

Tag 107, let’s go

„I believe in miracles“, singe ich lautstark zum Disko Hit aus dem Radio. Eine Nacht wollte ich auf „Sheppards Rest“ verbringen, sieben sind es geworden. Nun fahren wir endlich wieder und das hat nun mal einfach was. Die Gedanken beginnen, sich frei zu bewegen, ich atme durch und fühle mich – ja, unendlich glücklich. I believe in miracles.

Der Blues liegt auf dem Bett und hält sich die Ohren zu. So viel gute Laune hält er nicht aus. Trotzdem geht er nicht, es scheint, als hätten wir uns nun endgültig arrangiert. Ich kann gut gelaunt sein, obwohl es ihn gibt, er kann die Klappe halten, wenn die Stimmung gut ist. „Ballroom Blitz“ schmettere ich in die windige Landschaft hinaus. Meine Name ist Turbo Ali, mein Auto fährt mit 12 Litern Benzin auf 100 Kilometer und ich mit 70er Disko Sound und einem Liter Espresso auf vier Stunden.

Ich lasse Alicante hinter mir, kürze durch die Berge ab und bewege mich im Schneckentempo auf Valencia zu. Carissima schnauft ziemlich, als wir den ersten Pass bewältigt haben, 800 Meter Seehöhe. Also eigentlich nichts. Das Panorama ist beeindruckend, die Berge reihen sich Gipfel an Gipfel und irgendwo rechts von mir, in der Ferne, glitzert das Meer. Heute nochmal ans Meer, das ist der Plan. Und vielleicht bleiben, wenn es besonders schön ist. Ich habe dazu ein kleines Dorf 60 Kilometer südlich von Valencia anvisiert. Während der letzten Stunde Fahrt frischt der Wind auf und als wir wieder an der Küste ankommen, hat er Sturmstärken erreicht. An windausgesetzten Stellen habe ich Mühe, Carissima auf der Fahrbahn zu haben, es ist nicht der Wind an sich, der sehr stark ist, sondern die massiven Böen, die dazwischen immer wieder hereinbrechen. In Xeraco, der Ortschaft meiner Wahl, stelle ich dann fest, dass ich völlig erschöpft bin, ich werde auf jeden Fall hier bleiben. Es ist noch früh und kochen ist bei dieser Windstärke völlig unmöglich, ich werde wohl noch einkaufen gehen und dann einfach ein paar Brote richten. Und während ich noch nachdenke, wie ich das alles organisieren kann und der Sturm Carissima zum Wanken bringt, parkt dicht neben mir ein VW Bus ein. Iris und Gordon!

Die beiden sind einen Tag vor mir von „Sheppards Rest“ aufgebrochen, haben irgendwo in den Bergen übernachtet und sind nun auf dem Weg nach Valencia. Treffen dieser Art, in der Ferne, sind immer sehr besonders. Das erlebe ich seit der spanischen Atlantikküste, dass man Menschen wieder trifft. Man sieht einander auf einem Campingplatz, im Restaurant oder Supermarkt und dann beginnen alle Beteiligten zu lachen, „Hej, Du bist die mit dem sehr kleinen Hund, Du warst doch in xxx!“. Dass ich Iris und Gordon hier zufällig wiedertreffe, ist etwas ganz besonderes. Iris und Gordon erkennen mich nicht nur wegen Wanda. Wir beschließen, erst mal jeder für sich anzukommen und den Abend dann zusammen zu verbringen.

Im Gegensatz zu „Sheppards Rest“ ist heute aber nichts mit draußen sitzen und so gehen wir in die Bar am Campingplatz. Die Dame meint, eigentlich hat sie nicht geöffnet, aber wir könnten so lange sitzen bleiben, bis ihr Sohn mit den Hausaufgaben fertig sei. Das ist unser Vorteil, denn der Kleine hat erstmal null Interesse an Hausaufgaben, sondern vielmehr an den Gästen, die da vor dem eben erloschenen Feuer im offenen Kamin sitzen und versuchen, noch etwas Restwärme abzubekommen. Er bringt seine Schulbücher und zeigt uns alles, was er heute gelernt hat. Irgendwann muss er aber dann doch an die Hausaufgaben und wir müssen dann auch irgendwann austrinken. Wir beschließen den Abend im Bus der beiden und tauschen Ideen aus, nach einem halben Jahr unterwegs, oder fast vier Monaten in meinem Fall, hat man so einige Erfahrungen gesammelt.

Tag 108, 13. Dezember

„Huhu, Freitag, der 13.!“, sagt der Blues. Ich öffne die Augen. Er hat die Schiebetür geöffnet, lässt die Beine aus dem Auto baumeln und blickt versonnen in den Sturm. „Mach doch die Tür zu!“, schreie ich gegen den Wind an. Laut Wetteronline ist Sturm, mit Böen über 70 km/h, laut Meteoblue ist es Sturmwarnung mit Spitzen bis zu 66 km/h, ab Mittag verspricht man Besserung. Laut meiner Wahrnehmung ist da draußen schlicht die Hölle los. Der Blues reagiert nicht. Ich stehe auf und mache Kaffee, dränge den Blues von der Tür weg und schließe sie. Endlich Ruhe.

Iris und Gordon kommen, um sich zu verabschieden, ich beschließe, bei diesem Wind einfach einen Arbeitstag einzulegen und begebe mich genau einmal aus dem Campingplatzgelände, nämlich um einzukaufen. Der Wind ist entgegen der Vorhersagen auch am Abend noch heftig. In der Nacht fühlt es sich an, als würden Carissima und ich Autodrom fahren, es ist unheimlich. Ich hoffe, dass es morgen besser wird.

Tag 109 und 110. Peniscola.

Für heute habe ich ein Städtchen etwa 200 Kilometer südlich von Barcelona ausgesucht. Peniscola heißt es hier, eine schöne Altstadt auf einem Felsen und rundherum verbautes Küstenland. Ein wenig sieht es hier aus wie in Cannes, eine breite Straße führt am Strand entlang, zwischen Straße und Strand noch eine gepflegte Promenade, Plamen, Restaurants, Bars und Läden. Es ist wunderbar warm als ich ankomme. Wanda und ich wandern in die Stadt und ich kaufe ein, das Hündlein im Rucksack. Mittlerweile ist der tägliche Gesetzesbruch usus geworden und stresst mich nicht mehr. Was Gewohnheiten an Wundern bewirken…

Ich könnte mir vorstellen, hier eine Weile zu bleiben. Auch wenn es am Abend hier aussieht wie in Santas Dorf der Verdammten, gefällt es mir. Alle Nachbarn haben volle Festbeleuchtung und so ziemlich alle, die sich hier am Campingplatz versammeln, werden hier Weihnachten feiern. Ganz verstehe ich es nicht, aber, nunja. Jeder hat so seinen Ort, wo er gern Weihnachten feiern würde. Und vor allem WIE! Ich stelle mir ja immer vor, dass ich alle meine Liebsten einlade und sie so richtig bekoche, dass alles so unglaublich kitschig geschmückt ist wie hier auf dem Campingplatz und dass wir ab Nachmittag Weihnachtslieder singen. Dazu brauche ich einen großen Tisch. Und so einen werde ich in Bälde tatsächlich haben. Endlich wieder einen Tisch! Einen großen Tisch in einer groß genugen Wohnung! Ich kann es kaum fassen.

Als ich später die Wetterprognose ansehe, werde ich ein wenig in meienr Euphorie gebremst, es soll regnerisch werden. Dann ist das hier mit länger bleiben nicht so toll. Wenn es in der Nacht um die 10 Grad hat, dann soll es bitte nicht regnen. Wintercamping ist eines. Nasscamping was anderes.

„Ist Dir eigentlich schon einmal aufgefallen, dass es überall, wo Du hinkommst, erst total schön ist und dann das Wetter kippt?“, fragt der Blues. Äh. Ja. Das ist mir aufgefallen. Auf dieser Reise im Besonderen. Aber vorher auch schon. Ich schaue ihn an und sage nichts. Er schaut mich an und grinst. „Ich würde gern weiterfahren“, meint Carissima, „wenn wir jeden Tag ein Stück fahren, dann müssen wir nicht so viele Kilometer auf einmal machen. Und dann hast Du ja vielleicht endlich wieder einmal die Muße, von Frank zu erzählen!“. Oh Mann. Das hatte ich jetzt schon zweimal versprochen und nicht gehalten. „Lass uns heute noch die Stadt anschauen“, sage ich, „und morgen fahren wir weiter, ok?“. „Bring mir ein Bier mit“, ruft der Blues mir nach. „Heute ist Sonntag“, brülle ich quer über den Campingplatz zurück. Einige Rentner schauen mir entgeistert nach. Nun hat die arme Alleinreisende den Verstand verloren, mögen sie denken.

Das Städtchen ist entzückend, mit einer Burg auf einem Felsen, um den das Meer tobt. Unzählige Filme sind hier gedreht worden, zuletzt „Game of Thrones“. In jeder zweiten Gasse hängen kleine Schilder mit Hinweisen auf Filme. Während ich noch sinniere, wie ich Wanda in den Burgpark bekomme, in dem Hunde strengstens verboten sind, spricht mich jemand an. Ich drehe mich um und: Gordon und Iris! Wir sind allle drei ziemlich perplex, irgendwo auf der Strecke muss ich sie wohl überholt haben und nun treffen wir uns hier wieder. Die beiden erzählen, dass sie nun ein Schiff von Barcelona nach Rom gebucht haben. Morgen Abend geht es los. Und auf einmal werde ich ganz wehmütig. Zaudere. Fahre ich zu früh zurück? Mag ich schon nach Hause? Und etwas in mir ruft ganz laut: „Wir haben wieder ein zu Hause!“ Ja, ich mag heim.

Tag 111, Lloret de Mar

Weiter geht es Richtung Barcelona. Ich habe lange überlegt, ein oder zwei Tage dort Halt zu machen, aber das Wetter passt mir einfach so gar nicht. Ich war ja schon einige Male in Barcelona, es war immer wunderschön. Ich muss nicht zwei Tage Regen hier verbringen.

Während wir durch leichten Nieselregen fahren, gefolgt von trockenen Etappen und sogar ein wenig Sonnenschein, meldet sich Carissima wieder mit ihrem Frank Anliegen. Also gut. Frank.

„Du erinnerst Dich, wir waren bei dem Tag, an dem diese fotografierenden Studenten gewandert sind, ja?“, frage ich. „Ja, genau“, sagt sie, „der Tag, an dem alles schief ging!“

Der Tag, an dem alles schiefzulaufen begann, setzte sich in gelungener Nachmittagswärme fest und Frank beschloss, nun doch ein wenig zu schreiben. Irgendwann, so dachte er, muss man ja wieder damit anfangen. Dass er seit einigen Jahren keine Lust mehr hatte, zu lesen, hatte er nie verstanden, denn er war immer ein Büchermensch gewesen. Er hatte immer gelesen. Lesen, das waren die großen Reisen der Seele, an Orte, an denen man noch nicht gewesen war oder nie hinkommen würde. Lesen, das war, wie Menschen kennen zu lernen und ein Stück ihres Weges zu begleiten. Lesen war Flucht, Abenteuer, nach Hause kommen, Lesen war alles. Und dann hatte es einfach aufgehört. Es war ihm anstrengend geworden und er wusste nicht, warum. Plötzlich hatten die Besuche in Buchläden aufgehört, die Stapel ungelesener Bücher, die er voller Freude da und dort hatte gekauft, wurden nicht höher. Niedriger aber auch nicht. Dann die große Krise. Und nun lagerten seine Bücher, alle Bücher, die er jemals besessen hatte, in staubsicheren Boxen im Keller seines Freundes Erwin. Erwin nutzte den Keller nicht und würde es vermutlich auch nie tun. Er hatte ein schmuckes Stadthäuschen geerbt, Frank wusste nicht, von wem und Erwin hatte sich dazu sehr bedeckt gehalten. Mit ihrer Freundschaft war es wohl wie mit dem Lesen, dachte Frank, wir tun es einfach nicht mehr. Und Freundschaften, die man nicht mehr lebt, die vergehen irgendwann.

Frank sah auf sein kleines Buch, das er immer mit sich trug, aber bis jetzt kaum genutzt hatte. Er zeichnete einen Baum. Frank war kein großartiger Zeichner, aber nach einem Online Zeichenkurs vor einigen Jahren konnte er zumindest Bäume zeichnen. Das Geheimnis lag am Hinsehen. Man musste genau hinsehen. Das Zeichnen war dann gar nicht mehr schwierig. Es war der Blick. Beim Zeichnen musst Du die Seele dessen erfassen, was Du zeichnen willst, sonst klappt das nicht. Der Baum, den Frank zeichnete, stand oben an der Klippe. Er hatte ihn schon über hundert Mal betrachtet, das wusste er, denn heute war Tag 176 von Franks Aufenthalt hier und er war fast jeden Tag oben an der Klippe gewesen. Genau genommen stand der Baum am Beginn des Klippenweges, auf dem sich nun die fotografierenden Studenten bewegten.

Als er seinen Baum fertig gezeichnet hatte, war es bereits später Nachmittag. Die Sonne machte sich bereit, hinter den rosa Klippen zu verschwinden und leichter Wind kam auf. Was für ein Tag, dachte Frank. Er ging in sein Häuschen, schmierte sich ein Butterbrot und beschloss, in seine Bar zu gehen. Vielleicht wurde das dort ja noch was mit dem Schreiben, bei einem kleinen Bier. Oder zweien.

Im Gastgarten liefen bereits die Wärmelampen und Frank hatte Glück, noch einen Platz an den Fenstern zum Meer zu ergattern. Mit Abendessen sah es heute schlecht aus, der Garten war fast voll. Soviel hatte Frank schon beobachtet. Dass er immer dann nach drinnen gebeten wurde, wenn kaum Gäste da waren. Wahrscheinlich dachte man, er sei obdachlos und gab ihm das Essen, das sonst vergammeln würde? Frank wunderte sich nicht mehr über sich selbst. Dieser Unwille, nachzufragen, diese Unfähigkeit, jetzt einfach diese Sprache zu erlernen und zu kapieren, was hier vor sich ging, das war genau sein Problem. Dieses Problem existierte bereits geraume Zeit. Während Frank es sich an dem kleinen Tisch gemütlich machte, dachte er darüber nach, wann das begonnen hatte, diese Unlust auf all das, was ihm früher wichtig gewesen war. War das mit dem Verlust der Lesefreude einhergegangen? Frank bestellte ein kleines Bier. Der Kellner war freundlich, so wie immer, und brachte es mit einer kleinen Schale Oliven. Es hatte Tage gegeben, da war Frank mit diesen kleinen Beigaben zum Bier ausgekommen, hatte sonst nichts gegessen. Als er noch nicht für Madame Bäume schnitt und gepflasterte Wege kehrte und das Geld knapp war. Es gab nicht mehr viele Bars, in denen die Beigaben zum Getränk abgewechselt wurden. Oft gab es nur noch Erdnüsse oder Chips. Hier aber bekam man mit jeder Bestellung etwas anderes, eine sehr angenehme Vorgehensweise, wie Frank fand.

Der Mann auf der anderen Seite der Straße fiel ihm sofort auf. Nicht weil er besonders auffällig gewesen war, sondern weil er versuchte, das eben nicht zu sein. Auffällig. Er trug einen beigen Mantel, darunter sah man eine Anzughose und polierte Schuhe. Offenbar sehr teuer gekleidet, dachte Frank, der hier an der Strandpromenade, wo im Sommer immer noch einige Reiche und Schöne flanierten, ein Auge für das Teure bekommen hatte. Der Mann schlenderte auffallend langsam die Strandpromenade entlang und blickte immer wieder in Richtung Bar. Er trug eine dunkle Sonnenbrille mit schwarzer Fassung, obwohl die Sonne bereits hinter den Felsen verschwunden war, und hielt ein Buch in der linken Hand. Genauso eines, wie Frank es vor sich liegen hatte. Es war ein schwarzes Büchlein im A5 Format, der Einband aus Lederimitat, Stärke wahrscheinlich 300 Seiten, genauso wie Franks Büchlein. Das Buch fiel Frank auf, als der Mann den linken Arm kurz anhob, um auf die Uhr zu blicken. Der Mann blickte von seiner Uhr in Richtung Kirche, dann in Richtung Apotheke und verglich offenbar die auf seiner Uhr angezeigte Uhrzeit mit diesen beiden Anzeigen. Dann blickte er hektisch auf und begann rasch, in Richtung Bar zu gehen. Vielleicht hatte er festgestellt, dass seine Uhr falsch ging? Gab es so etwas heute noch? Trugen Menschen noch Uhren? Frank hatte das bereits vor langer Zeit aufgegeben. Der Mann setzte nun zum Laufschritt an, hatte es plötzlich sehr eilig, blickte nachlässig nach links und rechts, sprang förmlich auf die Fahrbahn und fiel mit dem nächsten Schritt nach vorne. Offenbar war er durch einige Steine direkt am Gehweg ins Straucheln gekommen und fand noch keinen Halt mehr. Frank blickte fasziniert und gleichermaßen verstört auf den Mann, der so unauffällig sein wollte und nun alle Blicke auf sich zog. Der Mann im beigen Mantel versuchte mit einem weiteren Schritt einen Fall zu verhindern, taumelte, riss dann seinen Oberkörper in die Richtung, aus der er gekommen war, machte dabei eine halbe Drehung und wurde von einem Moped erfasst. Der Fahrer hatte im Glauben, dass dieser Mann bereits sicher auf der anderen Hälfte der kleinen Straße war, kräftig Gas gegeben. Der Mann fiel und bevor sein Kopf auf dem Asphalt aufschlug, schloss Frank im Reflex die Augen, denn so etwas muss man nicht unbedingt sehen.

Der Mann lag leblos auf der Straße, der Mopedfahrer hatte sein Fahrzeug abgestellt und lief wild gestikulierend um die Unfallstelle, einige Passanten liefen herbei. Frank war kurz aufgestanden, da gab es doch so etwas, musste man bei einem Unfall nicht helfen? Das war doch Pflicht? Doch dann sah er, dass ein Mann, der zu wissen schien, was er tat, sich neben den Leblosen kniete und sich um ihn kümmerte. Frank setzte sich wieder.

Er zitterte ein wenig. Adrenalin, dachte er. Der menschliche Körper schüttet in Stresssituationen Adrenalin aus, und zwar auch dann, wenn man nicht selbst betroffen ist, sondern Situationen dieser Art nur beobachtet. Darum ist Fernsehen auch so schlecht. Schlechte Nachrichten, Katastrophen, Kriminalfilme, all das führt dazu, dass wir Adrenalin ausschütten und dann nicht wissen, wohin damit. Normalerweise sollte man nach dem Ausschütten von Adrenalin laufen oder zumindest schnell gehen, denn das ist genau das, wofür der Körper es ausschüttet. Dass Du trotz Angst oder Schmerzen bis ans Ende der Welt rennen könntest, um der Gefahr zu entkommen. Die meisten Menschen aber essen dann etwas. Das hilft zwar auch, ist aber der Grund, warum Fernsehen dick macht. Frank griff zu seinem kleinen Schälchen und nahm sich eine Olive. Er sah sich um. Die anderen Menschen in der Bar schienen den Unfall entweder nicht mitbekommen zu haben oder wesentlich gefasster damit umgehen zu können. Niemand war aufgesprungen. Es war auch kein besonders lauter, auffälliger Unfall gewesen. Eher unauffällig. Das immerhin war dem Mann gelungen.

Es hatte nur etwa drei Minuten gedauert, bis der Rettungswagen um die Ecke bog. Der Fahrer hielt mitten auf der Straße, die Sanitäter sprangen heraus, packten den Mann auf eine Trage und weg waren sie. Frank war verwirrt. So schnell geht das also, dachte er, gerade eben denkst Du noch, verdammt, meine Uhr geht falsch, und fluggs liegst Du in einem Rettungswagen und hast keine Ahnung, warum. Frank klappte sein Büchlein zu. Wieder kein Wort geschrieben. Er bestellte noch ein Bier. Kaum hatte der Kellner es gebracht, betrat ein leicht gehetzt wirkender Mann den Gastgarten. Er ging zielstrebig in das Restaurant, kam aber nach wenigen Sekunden wieder heraus und sah sich im Garten um. Dieser Mann war wirklich unauffällig, dachte Frank, denn niemand schien ihn wahrgenommen zu haben. Bis auf Frank, der, vollgepumpt mit Adrenalin, bereit für extreme Anforderungen war.

Der Mann blickte zu Frank, blickte auf den Tisch, auf das Büchlein, hob fast unmerklich eine Augenbraue und steuerte auf Frank zu. Als er vor ihm stand, blickte er ihm direkt in die Augen. „Hier sind sie“, sagte er so leise, dass Frank es kaum verstand. Er sprach englisch. „Wir hatten drinnen vereinbart. Haben sie reserviert?“, sagte der Mann im Flüsterton. Frank starrte ihn an und schüttelte langsam den Kopf. Was war das nun? „Kommen Sie mit“, sagte der Mann, „unauffällig!“. Das war keine Bitte.

Frank hatte Wochen später noch versucht, festzustellen, warum er nicht reagiert hatte. Immerhin hätte er einfach sagen können, entschuldigen Sie, ich glaube, sie verwechseln mich, und die Sache wäre damit erledigt gewesen. Was immer es war, das Frank dazu gebracht hatte, dem Mann zu folgen, Frank konnte es nicht festmachen. Er folgte dem Mann, der fast lautlos zu gehen schien, kurz mit dem Kellner sprach und dann auf Franks Tisch zusteuerte, dem Tisch, der etwas abseits stand und von einer Zimmerpflanze geschützt war. Man hatte hier so etwas wie Privatsphäre.

Der Mann setzte sich und bedeutete Frank, das auch zu tun. Frank setzte sich gegenüber, legte sein Buch auf den Tisch und stellte sein Bier ab. „Ich bin zu spät“, sagte der Mann, „es gab wohl einen Unfall, das Taxi kam kaum durch bis hierher“. Ja, der Unfall, wollte Frank sagen, da hat es wohl den Mann erwischt, den sie eigentlich treffen wollten? Vielleicht? Franks Adrenalinhirn war aufnahmefähig, analytisch und kombinationssicher. Was versagte, war seine Sprache. Er sagte nämlich nichts. „Englisch oder Französisch?“, fragte der Mann. Frank sah ihn verwirrt an. „Ihre Sprache“, sagte der Mann, „was bevorzugen Sie?“. „Englisch“, sagte Frank und hörte, wie knochentrocken und leise seine eigene Stimme klang. Ein Nebeneffekt des Adrenalins, der Mund wird trocken. In diesen Zuständen soll man ja auch nicht reden, sondern laufen. Und das wäre es gewesen, was Frank hätte tun sollen.

An der Costa Brava ist es ein wenig wie an der italienischen Adriaküste: In der Nachsaison macht alles zu. In Lloret de Mar finde ich einen geöffneten Campingplatz und bin sehr froh, hier zu stranden, denn das Städtchen ist entzückend! Der Campingplatz sieht arg mitgenommen aus, offenbar war hier das Zentrum der sinntflutartigen Regenfälle Anfang September, Mitte Oktober und kürzlich. Alles ist matschig und zudem sind noch Umbararbeiten im Gange. Es gibt einige Stellplätze, die benützbar sind und ich suche mir einen aus. Für eine Nacht passt das gut.

Tag 112

Am nächsten Tag bin ich unschlüssig und das ist nicht gut. Ich habe über Park4Night einen Bauernhof in den Bergen bei Figueres gefunden, doch ich möchte näher an Empuriabrava sein. Wenn ich schon in der Gegend bin, will ich unbedingt dieses Skydiver Zentrum wieder einmal besuchen. Ein bisschen Kerosin schnuppern, ein bisschen von vergangenen Zeiten träumen. Ein bisschen das Gefühl wieder wett machen, hinter dem Zaun zu stehen, dort, wo die Nicht Skydiver stehen müssen.

Ich zockle die Küste entlang, hier kenne ich mich aus. Hier war ich schon sehr oft. Alles von Barcelona bis Monte Carlo kenne ich gut, bin hier schon mit dem Motorrad gefahren und mit dem Auto und auch mit Carissima. Vielleicht ist es diese Gewissheit des Bekannten, die mich so unschlüssig macht, vielleicht auch das nicht genau Wissen wie das nun mit dem Heimfahren ist.

„Wie merkst Du eigentlich, wann es wirklich genug ist, wann es wirklich Zeit ist, heim zu fahren“, fragt Carissima. Meine Gedanken vor zwei Tagen beschäftigen auch mich. Wann merkt man das? Früher war der Urlaub aus, da stellte sich die Frage nicht. Später dann hatte ich bereits Termine vereinbart, außer bei meiner ersten lange Reise und dieses Mal. Dieses Mal wäre der erste Termin am 21. Februar, ein Termin der viel Vorarbeit verlangt, aber noch nicht bestätigt ist. Nicht bestätigte Dinge beunruhigen mich und ich weiß nun, dass ich das nie mehr machen werde.

Aber nun ist es wie es ist. „Ich glaube, das kann man nicht so genau fest machen. Es ist immer anders. Manchmal ist man einfach satt. Das Gefühl habe ich diesmal nicht. Seit Tabernas habe ich eher das Gefühl, ewig weiterfahren zu können. Irgendwie ist es diesmal das ‚ich habe ein paar Dinge zu erledigen‘, das mich heimfahren lässt“, sage ich, „aber es ist nicht unangenehm. Es fühlt sich so an wie tanken müssen. Ich muss jetzt heimfahren, ein paar Dinge erledigen, und wenn ich schon dabei bin, dann kaufe ich mir auch noch einen Kaffee und ein Croissant. Und natürlich freue ich mich auf die Menschen, die ich vermisst habe, das kommt noch dazu. Aber alles in allem ist es diesmal sehr komplex“.

Die Komplexität der Angelegenheit und die Unschlüssigkeit führen dann dazu, dass ich gegen Sonnenuntergang in Sant Pere Pescador herumirre und versuche, eine Übernachtungsmöglichkeit zu finden, doch es hat alles geschlossen. An einem gut beleuchteten Campingplatz schließlich, der ebenfalls geschlossen hat, aber gerade umgebaut wird, erklärt mir ein freundlicher Mann, dass der nächste Platz, von dem er sicher wisse, dass er offen habe, in Estratit sei, 30 Kilometer wieder zurück. Und das mache ich dann auch, weil ich einfach müde bin.

Und wir bleiben zwei Tage, denn so wie die Wetteraussichen sind, wird das unser letzter Aufenthalt am Meer sein. Ich werde zwar weiterfahren Richtung Gruissan, der Campingplatz dort soll offen haben, doch Wind und Wetter scheinen nicht auf unserer Seite zu sein. Wir werden das vor Ort prüfen! Jetzt erst mal ans Meer!

Tag 114. Vor dem Zaun und hinter dem Zaun.

Als ich am Morgen einpacke, ist das Wetter immer noch trocken, sehr erfreulich. Am Horizont steigen dunkel Wolkenberge auf, doch hier scheint noch die Sonne. Ich fahre los, Richtung Empuriabrava. Das Skydiverparadies hat sich verändert, doch als ich das letzte Mal hier war, 2015, gab es die kleine Bar noch und das herrliche Frühstück auch. Ich frühstücke nicht, in freudiger Erwartung. Es sind knapp 50 Kilometer und als ich von der Schnellstraße abfahre und durch die kleinen Dörfer in Richtung Empuria zockle, kommen große Erinnerungen auf. Was habe ich hier gelernt, in Sachen Fallschirmspringen, gefeiert, Urlaub gemacht, wie viele Menschen habe ich hier kennen gelernt, es war immer genial. Zu Hause habe ich noch die ersten zehn Sprünge aus Empuria, damals war das ein Kartonstreifen, der beim Einsteigen ins Flugzeug abgezwickt wurde, wie bei der Straßenbahn früher. Irgendwann wurden es dann Scheckkarten, alles wurde digital, professioneller, anders, aber immer mittendrin, wie ein Fels in der Brandung, stand da die kleine Bar. Ein Pavillon, in dessen Dach ein kleines Sportflugzeug steckte. Man konnte 50 Euro Tickets kaufen und so lange essen und trinken, bis das Guthaben weg war. Genial. Ich hatte zum Frühstück immer Baked Beans und Spiegelei und den köstlichsten Capuccino jenseits von Italien.

Als ich Carissima auf dem frisch geschotterten Parkplatz abstelle, fällt mir eines sofort auf. Die Bar ist weg.

Ich stolpere in Richtung Hangar, dort, wo das Schild steht, dass nach diesem Schild nur noch Skydiver erlaubt sind und mir ist das jetzt egal. Ich habe in Bezug auf Wanda in den vergangenen vier Monaten so viele Vorschriften nicht beachtet, dass ich das jetzt auch bringen kann, steuere auf den ersten Menschen zu, der offensichtlich ein Skydiver ist und stammle: „The Bar ist gone!“.  „Oh yeah“, sagt der Mann. „When?“, bringe ich gerade noch heraus. „Warte mal“, sagt der Mann und holt einen Kollegen und diese zwei Worte genügen, um an seiner Sprachfärbung den Österreicher zu erkennen. Wir reden also österreichisch weiter. 2012 meint der Kollege, war die Bar schon weg. Kann nicht stimmen, denke ich, denn 2015 war ich ja noch hier. Und habe Cappucino getrunken! Den besten jenseits Italiens! Ich bin geknickt. Die Bar ist nun notdürftig in dem Container untergebracht, in dem der Shop früher war und der Kaffee ist genauso notdürftig wie das Ambiente. Frühstück gibt es keines mehr. Die neue Bar eröffnet im Sommer. Der Shop ist dort, wo die Rezeption ist und wo früher der Parkplatz war. Und das Massagehäuschen ist weg, mitsamt Masseurin. Offenbar packt heutzutage niemand mehr harte Öffnungen und darum braucht am Abend auch niemand mehr eine Massage, um überhaupt noch das Bierglas heben zu können. Die Zeiten ändern sich. Ich kaufe zwei T-Shirts und gehe einigermaßen belämmert von all der modernen Zeit zum Auto zurück.

Als wir weiterfahren, nimmt der Wind zu, so wie die Wetterprognose es schon am Morgen versprochen hatte, und bis wir an der französichen Grenze angekommen sind, kann ich Carissimas Fahrertür nicht mehr so weit aufmachen, dass ich nach einem Fotostop wieder einsteigen könnte. Ich muss über die Schiebetür einsteigen, um überhaupt wieder ins Auto zu kommen, ohne dass mir die Tür weg gerissen wird! Das Hündlein ist verstört ob der himmlischen Kräfte und ich fahre mit Babytempo und beiden Händen am Lenkrad weiter. Bis Gruissan wird es nicht viel besser, der Wind wird weniger durchgehend, dafür böiger. In Gruissan halte ich bei der örtlichen Saline und kaufe Salz, das es hier mit verschiedensten Gewürzen versetzt gibt. Ich denke an meine erste Reise, hier habe ich Stefan und Mareike kennen gelernt. Wie es ihnen wohl geht?

Die Saline liegt draußen an den flachen Salzgärten und hier wäre es sicher sehr schön zum Übernachten, wenn nicht der Sturm wäre. Da draußen in der Einsamkeit zwischen Meer und Land. Es gibt, laut Internet, in Gruissan aber auch einen Campingplatz, der noch geöffnet hat. Als wir dort ankommen, wird es bereits dunkel. Streckentechnisch habe ich mich vergeigt heute, keine Frage. Am Eingang zum auffällig dunklen Platz treffe ich einen Mann, der mir erklärt: „It‘ Christmas!!! The campsite ist closed for the holidays!“ Er scheint mir empört ob der Tatsache, dass ich NICHT irgendwo bin „for Christmas“. Ich bemühe Park4Night und stelle fest, dass es hier an der Küste vor Campingplätzen wimmelt. Die Frage ist nur, ob da noch einer offen hat. Ich fahre weiter. Vorbei an dunklen Ferienanlagen, geschlossenen Toren, windgeschüttelten Baumgruppen. Dass ich nachts nicht besonders gut sehe, war schon immer so, wird aber mit den Jahren nicht besser. Es nervt unglaublich. Außerdem – und dieser Part kommt sicher nicht in den Roman – muss ich ziemlich dringend aufs Klo. Zu allem Überfluss hat die Routentante beschlossen, mich irgendwo durch die Pampa zu schicken und ich kann mir nicht helfen, denn mir fehlt mittlerweile jede Orientierung. Ich muss einfach tun, was sie sagt, obwohl es mir absolut deppert erscheint, dass ich hier auf Nebenstraßen mit großen Löchern im Asphalt runmple, während irgendwo da draußen eine glatte Schnellstraße wartet.

Mitten in der Dunkelheit ein Schild, Zimmer auf einem Weingut. Ich biege ab, Routentante protestiert, mir egal. Keine zwei Minuten sind wir da. Kaum bin ich ausgestiegen, geht im ersten Stock ein Fenster auf. Ein Zimmer? Nein, leidert nicht, bedauert die Dame, alles voll. Sie klingt wirklich sehr ehrlich bedauernd, als sie mich in die dunkle Nacht entlässt. Der Vorteil an dieser Einsamkeit: Ich gehe am Wegrand in die Büsche. Alles egal. Danach wird es zumindest einfacher, wieder auf Park4Night nachzusehen und ich entdecke einen Wohnmobilstellplatz in der Nähe. Der scheint sogar, was nicht selbstverständlich ist, Toiletten zu haben. Und ich finde ihn auf Anhieb.

Der Sturm nimmt zu. Am Platz versucht eine junge Frau, hilfreich zu sein. Die Besitzerin sei nicht da, aber ich könne mich irgendwo hinstellen. Mein Stromadapter passt nicht und ich muss meinen Wasserkocher direkt an der Stromsäule anstecken. Alles andere läuft ohnehin über Solarstrom, zum Glück. Der Sturm nimmt zu und ich nehme an, dasss die Windspitzen von 100 km/h, die wetteronline versprochen hat, zutreffen. Carissima wackelt im Wind, dass es sich anfühlt, als würde ich Autodrom fahren. Die ganze Nacht.

Am Morgen wache ich entsprechend gerädert auf. Hier kann ich nicht bleiben. An sich hatte ich mir vorgestellt, in Gruissan zu bleiben, für mindestens zwei Tage. Hier ist der Strand so schön, aber bei diesem Wind auch nicht wirklich. „Auf nach Avignon“, sage ich und verzichte auf die morgendliche Dusche.

Wanda gähnt und sieht mich verwirrt an. Der Blues auch. Carissima ist voller Tatendrang, stellt aber Bedingungen. „Nur wenn Du von Frank weitererzählst“, sagt sie. Das mache ich doch gern. Denn was sonst gäbe es von einem völlig verregneten Tag an der Küste zu erzählen?

Frank hörte sein eigenes Herz pumpen. Es rauschte ein wenig in den Ohren. Er merkte aber, wie er sich langsam beruhigt. Der Kellner kam und brachte dem Mann ein Glas Weißwein. Er zeigte auf Franks Bierglas, in dem sich noch ein kleiner Schluck befand und Frank nickte. Der Mann legte ein Notizbuch auf den Tisch, das genauso aussah wie Franks. Genauso wie das des Mannes, der überfahren worden war. Der Mann sah Frank in die Augen. Er hatte blaugraue Augen. Und die waren nicht „kalt“ oder „stählern“ oder sonst irgendein Blödsinn. Frank hasste Beschreibungen dieser Art in Kriminalromanen. Dass Jemand einen „kalten Blick“ oder gar „tödlichen Blick“ hatte war absoluter Blödsinn. Augen waren Augen und Basta. Und wie man deren Farbe oder Form interpretierte, das lag, genau, im Auge des Betrachters. Genauso war es bei diesem Mann. Die Augen waren blaugrau, fertig. Irgendwie sah der Mann sogar freundlich aus. Besser vielleicht, undurchschaubar. Aber auch das wiederum war keine Qualität, die über die Augen vermittelt wurde, es war mehr der Gesamteindruck. Die Augen waren blaugrau, der hell, eher vielleicht hellgrau. Die Haare des Mannes ebenfalls. Und der Anzug auch. Irgendwie war der Mann einfach durchgehend hellgrau und das sah ziemlich gut aus. Wahrscheinlich war er von einem Stylisten beraten worden…

„Hören Sie mir zu?“, fragte der Hellgraue. „Äh“, sagte Frank. „Konzentrieren Sie sich“, zischte der Mann und griff nach Franks Notizbuch. „Hej, lassen Sie das“, sagte Frank. „Verdammt, werden Sie nicht auffällig“, flüsterte der Mann. Er nahm das Notizbuch an sich. „Aber das ist meins“, flüsterte Frank zurück. „Wurde Ihnen nicht mitgeteilt, wie die Informationsübergabe läuft?“, fragte der Mann. „Welche“, stammelte Frank, „hören Sie“. „Ich glaube, sie verwechseln mich“, wollte Frank noch sagen, da schlug der Mann das Notizbuch auf. „Bäume?“, sagte er, fassungslos, „Ist das ein neuer Code?“ „Nein ich. Ich zeichne manchmal, nur so aus Spaß“, sagte Frank. Er fühlte sich unglaublich  müde. Der Kellner brachte die Getränke und Frank trank das kleine Bier in einem Zug aus. „Bitte noch eines“, sagte er. Der Kellner grinste, nickte und legte die Speisekarten auf den Tisch.

„Bäume“, sagte der Mann und schüttelte den Kopf, „Wo sind Ihre Informationen?“. „Welche“, sagte Frank, doch der Mann unterbrach ihn gleich wieder. „Verdammt, es ist ihr erster Auftrag?“ „Äh“, konnte Frank sagen. Mehr wieder nicht, denn der Mann ging zum daily business Ton über. „Das hat man mir nicht mitgeteilt. Nun gut. Besser, wenn wir alle weniger wissen, dann sind wir auch weniger angreifbar. Wir werden jetzt eine Kleinigkeit speisen, das fällt am wenigsten auf“, erklärte der Mann und klang plötzlich sehr geduldig, mit einem genervten Unterton, wie ein Volksschullehrer, der mindestens ein Jahrzehnt zu lange im Dienst war, „suchen Sie sich etwas aus der Karte aus“. Frank nahm die gegrillten Gemüsespießchen auf Koriandersauce, ein Gericht, das neu in der Karte war. „Das ist eine Vorspeise“, sagte der Hellgraue. „Ja und“, sagte Frank. „Sie müssen auch eine Hauptspeise nehmen, wir sind hier in Frankreich, das fällt sonst auf. Merken Sie sich das auch für Italien: Nie nur eine Primo Piatti, immer auch eine Secondo, verstanden?“. „Warum?“, fragte Frank und mit jedem Satz dieser höchst sonderbaren Konversation nahm der Verdacht in ihm zu, dass man ihn hier so richtig schön auf die Schippe nehmen wollte. „Weil nur Touristen nur eine Speise nehmen“, sagte der Hellgraue, „und wir wollen immer schon unauffällig bleiben, in der Masse verschwinden.“ Frank dachte, dass der Hellgraue offenbar nicht wusste, dass man in Touristenmassen genauso untertauchen konnte, sagte aber nichts mehr. Er wollte Zeit gewinnen, um festzustellen, was hier vor sich ging.

Frank wählte noch eine Pasta mit Trüffeln, ungewöhnlich für die Gegend, aber passend zur Jahreszeit. Die Vorspeisen kamen rasch und der Hellgraue schwieg während des Essens. Er bestellte ein zweites Glas Wein, Frank ging auch zu Wein über. Er entschied sich für einen Sauvignon Blanc, nicht unbedingt der typischste Wein der Region, aber einer von Franks Lieblingsweinen. Er begann gerade, darüber nachzudenken, wie er vom überzeugten Rotweintrinker zum Weißweinliebhaber geworden war, als der Hellgraue wieder zu sprechen begann. „Wenn es Ihre erste Aktion ist, ist alles ganz einfach“, sagte der Mann, „Sie folgen einfach den Anweisungen in dem Buch, plus allen weiteren Anweisungen. Sie machen nichts anderes. Sie bleiben unauffällig und folgen einfach ganz klar den Anweisungen. Wir verzichten, so möglich, auf jede digitale Form der Datenspeicherung oder Datenübermittlung. Sie werden auf Ihre Reise keine eigenen Papiere mitnehmen, auch Ihr Telefon bleibt zu Hause. Sie nehmen nur mit, was in der Tasche ist und folgen ganz klar allen Anweisungen, ja?“

„Welche Tasche“, fragte Frank und trank den letzten Schluck des köstlichen Weines aus. „Die unter dem Tisch steht“, sagte der Hellgraue. Er ist wirklich gut, dachte Frank, die Tasche ist mir gar nicht aufgefallen. Während des Hauptganges überlegte Frank. Wenn er hier verarscht wurde, von wem auch immer, dann konnte er doch erst einmal mitspielen. Und währenddessen überlegen, wie er seinen schadenfrohen Mitspielern eins auswischen könnte. Das war doch eine Idee. Wer könnte ihn wohl so aufs Korn nehmen wollen? Freunde? Die waren an sich verschwunden, im Lauf der vergangenen Jahre einfach aus seinem Leben verschwunden. Aber immerhin wurde Frank in vier Tagen 40, vielleicht hatte man sich zusammengefunden, um die Freundschaft neu aufleben zu lassen? Mit soviel Aufwand? Nun, es war vermutlich auch viel Aufwand gewesen, ihn überhaupt zu finden.

Der Hellgraue verlangte die Rechnung. Er bezahlte. „Sollte etwas schief gehen, verschwinden Sie“, sagte er, und melden sich erst wieder zum nächst vereinbarten Termin, „und bleiben Sie unauffällig, verstehen Sie?“. Frank nickte. „Mein Buch“, sagte er. Der Hellgraue schüttelte ganz leicht den Kopf. „Von mir aus“, sagte er, „stecken Sie es ein. Aber im neuen Buch keine Bäume mehr, verstanden. Informationen, verschlüsselt. Verstehen Sie?“. „Ja“, sagte Frank, obwohl er kein Wort verstand. Er wollte einfach diesem sonderbaren Abend ein Ende bereiten und endlich nach Hause. Der Hellgraue blickte auf die Uhr. „Sie müssen sich sputen“, sagte er. Sie gingen nach draußen, der Hellgraue gab Frank zum Abschied die Hand, als wären sie zwei Geschäftsreisende, die einen abschließenden Abend verbracht hatten, bevor sich ihre Wege wieder trennten, und verschwand um die Ecke.

Frank ging, so schnell er konnte, zu seiner Hütte. Er setzte sich an den Tisch und schlug das Büchlein auf. Es war so gestaltet, wie ein Buch, in dem man seine Rechnungen sammelt. Geschäftsreise eben. Auf die erste Seite war mit einer blauen Büroklammer die Rechnung des Abendessens geheftet. Der Hellgraue war wohl Zauberkünstler. Wann hatte er denn das gemacht? Auf der zweiten Seite pinnte ein Zettel, mit einer orangen Büroklammer befestigt. Frank las die Nachricht. Sie war mehr als simpel. Frank sollte all seine persönlichen Dinge zurücklassen, die Kleidung aus der Tasche anlegen, nach Paris fahren und dort den Zug nach Rom besteigen. Rom! Irgendjemand machte sich da wirklich Mühe – eine Schnitzeljagd zum 40sten Geburtstag? Quer durch Europa? Frank zog sich um. Man hatte an alles gedacht. Schicker Anzug, teure Schuhe. Ein Kulturbeutel mit Kamm, Zahnbürste und Zahnpasta. Das Mäppchen eines Reisebüros mit Zugtickets. Und ein Pass. Mit einem Namen, den Frank noch nie gehört hatte. Und dem Foto des überfahrenen Mannes.

Das Wetter an der Küste verändert sich kaum während unserer Fahrt. Es regnet und regnet und regnet. Die Fahrt ist nicht sehr lange, aber anstrengend und Carissima stöhnt, wenn ihr wieder einmal der Wasserschwall, den ein überholendes Fahrzeug aufwirft, ins Gesicht spritzt. In Avignon geraten wir in den verrückten Nachmittagsverkehr und stehen knapp eine Stunde im Stau vor der Pont Edouard Daladier, auf der anderen Seite sieht man schon den Campingplatz. Avignon ist in dieser Hinsicht besonders. Auf der anderen Seite der unaussprechlichen Brücke liegt die Halbinsel Barthelasse,  auf der sich ein Schwimmbad und einige andere Erholungsmöglichkeiten befinden. Und mehrere Campingplätze. Wenn man hier übernachtet, sieht man direkt auf die Pont d’Avignon und den Papstpalast und ist zu Fuß in fünf Minuten in der Altstadt hinter den dicken Mauern der ehemaligen Befestigungsanlage.

Hier dürfte es bereits länger regnen, denn der Campingplatz ist eine Schlammwüste und die Rhone steht knapp am Ufer an. Noch ein Handbreit und sie schwappt über. Ich parke uns ein und wir warten, bis der Regen aufhört. Knapp, bevor es dunkel wird, tut er das auch und ich gehe in die Stadt, die glitzert und summt, hier ist alles auf Weihnachtsstimmung ausgerichtet und wie es scheint, kommen die Menschen von nah und fern, um hier ihre Weihnachtseinkäufe zu machen.

Die weihnachtlich beleuchteten Straßen sind voll mit Menschen, die Pakete tragen und ich suche die kleinen, verlassenen Nebengassen, um den Hauch der alten Stadt zu erfahren. Avignon ist ein Touristenmagnet und hat sich trotzdem etwas bewahrt, das ich anderswo vermisse. Ich kann es nicht genau festmachen, denn angesichts der Restaurants und ihrer Preise weiß man, dass man hier keine Bange haben muss, dass das zahlungswillige Publikum abhanden kommt. Trotzdem gibt es die kleinen Winkel, die unbeleuchteten Gassen mit alten Buchläden, das kleine Programmkino mit dem Cafe, in das sich nur Einheimische verirren. Leider darf Wanda nicht rein, hier hätte es mir sehr gefallen. Es wird also doch eine Pizza auf dem Place de l’Horloge, wo das alte Karussell steht, das hier schon vor 30 Jahren war. Und vermutlich noch viel, viel länger.

Am nächsten Morgen wache ich mit Sonnenaufgang auf und die Sonne scheint. Der Himmel ist klar und ich überlege, ob ich hier bleiben soll. Weihnachten in Avignon, das wäre so romantisch! Mein Wettercheck sagt aber, dass diese Sonnenstunden nur von kurzer Dauer sein werden, ab Nachmittag werden heftige Regenfälle erwartet. Ich überlege. Als ich hinaus gehe, um einen Blick auf die Stadt zu werfen, fällt die Entscheidung leicht. Die Rhone ist über die Ufer getreten, die Wege entlang des Flusses sind gesperrt und das Wasser bewegt sich gemächlich in Richtung Campingplatz. „Ich glaub‘, es ist besser, wir fahren“, sage ich, als ich zurück komme. Der Blues schläft noch. Carissima besteht darauf, dass ich von Frank weitererzähle. Sie findet, dass ich das nicht bringen kann, permanent an exakten Spannungsbögen meine Erzählung abzubrechen. Ich habe mal gehört, das macht man so.

Ich suche für heute Abend ein Zimmer, vorsichtshalber. Dann geht es weiter nach Chateuneuf-du-Pape, hier habe ich 1990 bei der Weinlese gearbeitet, mein Gott, ist das lange her. Im Versuch, dem morgendlichen Verkehrswahnsinn in Avignon zu entkommen, geige ich zuerst völlig ziellos durch die Landschaft, doch irgendwann kommen wir dann in Chateuneuf an. Das Städtchen hat sich nicht verändert. Schmale Gassen, kleine Cafes, Weinverkauf, keine Eile. Ich fahre hinauf zur Burg und genieße den Ausblick. Über der Rhone lösen sich die morgendlichen Nebel. War es ein Fehler, aufzubrechen? Denn nun ist es klar – ich habe mich für eine Route nach Hause entschieden und ab heute Abend ist Schluss mit Campen. Es ist zu kalt und weiter nördlich haben auch kaum mehr Plätze geöffnet. Wenn nun alles klappt, bin ich am 24. zu Hause. Will ich das? Ich zweifle heftig. Ich denke an Iris und Gordon und daran, dass es manchmal, in seltenen Fällen, doch ein wenig einfacher ist, wenn man zu zweit ist. Der Blues räkelt sich. „Irgendwer hat mich gerufen?!“, sagt er verschlafen. Verdammt, der merkt auch alles.

Orange. Dann die Autobahn. Und dann steht alles. Ich habe Glück, denn in meine Richtung kommt nach einer halben Stunde wieder Bewegung. Auf der Gegenfahrbahn messe ich 20 Kilometer Stau.

Frank musste sich eingestehen, dass die Verwechslung auf der Hand gelegen hatte. Der überfahrene Mann hatte in etwa Franks Größe gehabt, eine eher zarte Statur, dunkle Haare, schmales Gesicht. Mehr hatte Frank in der Hektik nicht sehen können. Als er nun das Passbild betrachtete, fand er, dass sie sich überhaupt nicht ähnlich sahen, der Mann hatte eine deutlich größere Nase als Frank, hellere Augen, kaffeebraun könnte man das vielleicht nennen, Kaffee mit einem großen Schuss Milch darin, während Franks Augen eher dem Kaffee mit nur einem Tropfen Milch entsprachen. Außerdem war der Mann sicher zehn Jahre jünger als Frank. Giovanni Tesso lautete der Name im Pass. Na super. Frank sprach kein Wort italienisch. Ausstellungsdatum vor sechs Jahren. Damit könnte man den fotografischen Unterschied argumentieren.  Von dem abgesehen gab es doch in Europa keine Passkontrollen mehr. Oder? Frank war noch nie in Rom gewesen.

Die Angaben auf dem Zettelchen waren eindeutig. Frank sollte zum Casino gehen, gegenüber war ein Wagen für ihn geparkt. Er sollte nach Paris fahren, das Fahrzeug am Bahnhof abstellen und um 7.22 Uhr den Zug nach Rom besteigen. Der kam um 19.25 Uhr am Bahnhof Roma Termini an. Den Zettel sofort vernichten.

Frank stand auf. Er schaute aus dem kleinen Fenster der Hütte hinaus in die Nacht. Was war das hier? Ein Scherz? Eine Überraschung? Eine Verwechslung? Im Nachhinein fand er es sehr sonderbar, dass er sich in diesem Augenblick Gedanken um seine Arbeit als Gärtner machte. Aber an sich traf sich das sehr gut, das er nun frei hatte. Immerhin hatte er noch zwölf Tage Zeit, bevor Madame wieder abreiste. Er wollte seinen Job nicht verlieren. Frank kannte sich selbst nicht so pragmatisch, vermutlich eine Frage des Alters. Also. Was tun? Nach einer weiteren halben Stunde tat Frank genau das, was auf dem kleinen Zettel angewiesen war, verstaute seinen eigenen Pass und sein Mobiltelefon unter seiner Matratze, schloss die Fischerhütte ab und ging zum Casino. Wie erkennt man ein abgestelltes Fahrzeug, das für einen bestimmt ist? Würde mit großen Buchstaben „Frank“ drauf stehen, sodass er verstand, dass es sich bei dieser Aktion um einen Scherz unter Freunden handelte? Sei realistisch, dachte Frank. Wenn das alles ein Scherz wäre, dann gäbe es keinen Pass von einem Mann, der überfahren worden ist. Sei realistisch. Im Nachhinein dachte Frank noch lange darüber nach, warum er zu diesem Zeitpunkt nicht einfach das Weite gesucht hatte. Wahrscheinlich war es der Einfluss mehrerer kleiner Biere und Gläser Wein gewesen, viel zu viel zum Fahren, die ihn daran gehindert hatten, klar zu denken. In dem Augenblick, in dem Frank realisierte, dass vor dem Casino nur ein einziges Fahrzeug geparkt war, war es zu spät. Er öffnete die Fahrertür, stieg in den dunkelblauen Audi ein und hatte damit seine Zukunft verändert.

Der Schlüssel steckte. Frank sah auf die Uhr. Es war kurz vor Mitternacht. Er konnte sich Zeit lassen.

Carissima macht ein sonderbares Geräusch aus der Hinterachse. Es beginnt zu regnen. Wir bewegen uns Richtung Norden. Valence. Lyon. Das Quartier, das ich gewählt habe, liegt in Ornans, einem kleinen Dorf in der Nähe von Besancon. Es ist bereits dunkel, als mich Routentante von der Autobahn ableitet und quer durch die Berge schickt. Ich bereue es, mich nicht besser mit der der Route beschäftigt zu haben, vermutlich wäre es bei diesem Wetter und bei Dunkelheit besser gewesen, bis Besancon auf der Autobahn zu bleiben. Doch die Tante will beharrlich immer die „beste“ Route, was auch immer sie als bestens betrachtet.

Ich fahre auf Serpentinen durch eine Gegend, die mit gottverlassen scheint. Wald, Dunkelheit und die Tanknadel bewegt sich beharrlich Richtung roter Bereich. Immer diese roten Bereiche. Endlich ein Dorf, dunkel, mit einigen unkoordiniet angebrachten weihnachtlichen Lichterketten, keine Tankstelle. Nächstes Dorf. Steinhäuschen, Lichterketten, keine Tankstelle. Im nächsten Dorf der Hinweis auf einen Super U Supermarkt, da gibt es vermutlich eine Tankstelle. Der Regen kommt nun seitlich daher, begleitet von starken Windböen. Im nächsten Dorf kein Super U. Vermutlich war das Schild ein Scherz.

Bis zum Ziel sind es noch etwa 30 Kilometer, denke ich, das könnten wir sogar schaffen, da erblicke ich die Tankstelle. Was für ein Glück, mitten in den Bergen. Ich freue mich auf ein warmes Quartier, ein warmes Abendessen, ich habe heute noch nichts gegessen, und vor allem, endlich auszusteigen. Ich fahre für mein Leben gern Auto. Aber alles hat seine Grenzen.

In Ornans gibt es drei Restaurants und alle haben zu. Dafür ist das Quartier herrlich. Madame erklärt mir, wann es Frühstück gibt und zieht sich dann zurück. Ich hole alle Lebensmittel, die man ohne kochen essen kann, aus dem Auto und mache mir eine Jause.

Am nächsten Tag berichtet Madame, dass in Avignon Hochwasser herrscht und tausende Haushalte ohne Strom sind. Die Lage an der Küste sei generell extrem, starker Regen und Stürme. Nun bin ich froh, aufgebrochen zu sein. Ich denke an Iris und Gordon, die sich gerade an der italienischen Küste Richtung Süden bewegen. Hoffentlich sind sie nicht mitten im Unwetter.

Wir fahren weiter, Freiburg, Singen, Friedrichshafen. Für heute sind knapp 700 Kilometer geplant, das kann anstrengend werden. „Jetzt kannst Du aber auch die Geschichte von Frank weitererzählen“, sagt Carissima, „die Strecke ist doch ohnehin langweilig!“. Ich muss ihr Recht geben. Es regnet immer noch wie aus Kübeln und das in Kombination mit der deutschen Autobahn… da kann man genausogut Geschichten erzählen. Draußen gbit es nichts zu sehen.

„Nun“, sage ich, „Du kannst Dir vorstellen, dass Frank sich so einige Gedanken gemacht hat auf der Fahrt nach Paris. Er hat mit dem Schlaf gekämpft, mit dem Alkohol, hat dann kurz vor Le Mans Halt gemacht, um an einer Autobahnraststätte eine halbe Stunde zu schlafen. Mehr ging nicht und es war gut, dass er sich nicht mehr gegönnt hat, denn er hat es tatsächlich mit Müh und Not zeitgerecht nach Paris geschafft. Er hat das Auto abgestellt, den Schlüssel stecken lassen und ist zum Zug geeilt. Nachdem er eine Fahrkarte, aber keine Sitzplatzreservierung hatte, musste er einige Zeit suchen, bis er einen freien Platz gefunden hatte und ist dann kurz, nachdem der Zug abgefahren ist, eingeschlafen. Er musste zweimal Umsteigen, einmal in Zürich und dann noch einmal in Mailand. Ich habe bei meinen ersten Recherche eine Verbindung mit nur einmal Umsteigen gefunden, aber die wird seit gestern nicht mehr angezeigt. Also lassen wir es bei zweimal“. „Ok“, sagt Carissima, „und jetzt mach endlich, das ist ja kaum auszuhalten!“.

Kurz vor der Schweizer Grenze wachte Frank auf, mit entsetzlichen Kopfschmerzen. Es dauerte eine Weile, bis er sich orientiert hatte. Verdammt, er musste in Zürich umsteigen! Frank sprang auf und nahm seine Tasche. Das war zwar etwas früh gewesen, weil der danach geraume Zeit stehend im nächsten Abteil verbrachte, aber er fand, dass das auch sein Gutes hatte.

Rom. Die ewige Stadt. Frank fühlte sich auf bestimmte Weise besonders, als er aus dem Zug ausstieg. Rom. An der Touristeninformation am Ausgang holte sich Frank einen Stadtplan und sah ihn sich an. Das Colloseum war in Gehweite! Wie genial! Frank konnte Rom bei Nacht sehen. Vermutlich müssen, denn er hatte keine weiteren Anweisungen. Oder hatte er doch welche? Hatte er etwas übersehen? Frank beschloss, sofort loszugehen. In der Via Cavour kaufte er sich ein Sandwich. Er stellte sich vor, wie er später in ein gutes Restaurant gehen würde, ein Glas Wein trinken würde, hier in Rom. Dann fiel ihm ein, dass er angewiesen worden war, keine persönlichen Dinge mitzubringen. Die Kreditkarte lag mit seinem Pass und seinem Mobiltelefon unter der Matratze einer verlassenen Hütte an der französischen Atlantikküste. Frank seufzte. Er musste diese Tasche genauer untersuchen. Er musste nachsehen, wieviel Bargeld er noch hatte. Warum hatte er all das eigentlich nicht im Zug gemacht? Dort wäre er sicher gewesen, hier auf der belebten Straße fand er es zu gefährlich, in seinen Habseligkeiten herumzukramen. Man hört ja Dinge von Rom. Zum Beispiel, dass der Moment, in dem der Papst seinen Segen spricht und all die Pilger auf dem Petersplatz andächtig lauschen, die meisten Taschendiebstähle per Minute weltweit stattfinden. Wenn also Taschendiebe so vermessen, ja, so gemein sein können, wie gefährlich wird es dann auf den Straßen Roms sein?

Das Colloseum lag prächtig in der dunklen Nacht, beleuchtet von Scheinwerfern. Der Verkehr tobte immer noch. Frank nahm sich vor, nach Mitternacht noch einmal herzukommen, vielleicht würde es dann ganz still sein? Er genoss den Anblick, wanderte um das mächtige Bauwerk herum, das durch Gitterzäune geschützt war. Natürlich musste man Eintritt bezahlen, wenn man hinein wollte. Vielleicht würde er das morgen machen.

In einer kleinen Gasse hinter dem Colloseum fand Frank ein Restaurant, das passenderweise „Il Gladiatore“ hieß. Ein wenig geschmacklos, fand Frank, aber bitte. Er setzte sich an einen Tisch, bestellte ein kleines Bier und begann, möglichst unauffällig sein Bargeld zu zählen. Es waren noch 28 Euro und 73 Cent. Frank bestellte sich eine Pizza und ein Glas Hauswein. Er sah sich um. Nur wenige Tische waren besetzt, dieses Restaurant schien nicht unbedingt der heiße Tipp in der Gegend zu sein. Frank stellte die Tasche auf den Stuhl neben sich und nutzte die Zeit, bis sein Essen kam, um sie schnell und möglichst genau zu untersuchen. Hier hatte jemand mitgedacht und akribisch genau gepackt. Unterwäsche, Socken, ein original verpacktes Hemd. Ein Paar….

„Also weißt Du“, sage ich, „ich stehe hier echt an. Was packt man einem Mann ein, den man auf eine geheime Mission schickt?“. „Hmmmm…“, sagt Carissima, „vielleicht einen Rasierapparat? Badeschlappen?“.

Ein Paar Badeschlappen. Ein Rasierapparat. Beides verpackt. Sonst nichts. Frank überlegte. Das Necessaire! Er hatte nur einen flüchtigen Blick hineingeworfen und festgestellt, dass eine Zahnbürste drin war. Frank öffnete es und fand in einem kleinen Seitenfach einen Zettel. Darauf stand „Hotel Valeri, 22.25“. Frank verstand nicht, warum man diese Umstände machte. Man hätte ihm das doch einfach erklären können. Der Hellgraue hätte es ihm einfach erklären können. In Ermangelung eines Mobiltelefons musste Frank nach der Uhrzeit fragen. Und nach dem Hotel Valeri. Dort kam er um kurz nach zehn Uhr an, zeigte seinen Pass, die Dame an der Rezeption fand eine Reservierung und zeigte ihm sein Zimmer. Das Hotel war alt, die Zimmer riesig, nicht auf dem neuesten Stand, aber bezaubernd. Frank versuchte nicht, das zu relativieren, obwohl ihm klar war, dass er nach seiner Fischerhütte vermutlich alles bezaubernd fand. Punkt 22.25 Uhr klingelte das Zimmertelefon. Frank nahm den Hörer ab. „Name?“, sagte eine Stimme am anderen Ende der Leitung. „Frank…“, begann Frank zu antworten. Die Stimme unterbrach ihn: „Codename! Sie verwenden nur noch ihren Codenamen!“ „Giovanni Tesso“, sagte Frank. „Unter dem Waschbecken im Bad finden Sie einen Schlüssel“, sagte die Stimme, „Sie gehen morgen zum Bahnhof Roma Termini und öffnen dort das Schließfach 203. Sie finden darin einen Pilgerpass. Mit diesem Pass können Sie Ihre Pilgerurkunde abholen, im Petersdom. Das machen Sie auch, und zwar während die gesungene Messe stattfindet. Diese startet um 17.00 Uhr.“ Die Stimme klang automatisch, gefühllos, fast unmenschlich. „Und..“, begann Frank. „Sie merken sich, was Sie soeben erfahren haben“, sagte die Stimme, „keine Notizen“. „Ok“, sagte Frank. Am anderen Ende wurde aufgelegt. Frank war überfordert.

Ulm. Augsburg. München. Es regnet leicht. Ich werde müde. So müde. Ich rufe Freunde an und bitte sie, mich eine halbe Stunde telefonisch zu begleiten, damit ich nicht einschlafe. Neben mir schnarcht das Hündlein am Beifahrersitz. Hinter mir schnarcht der Blues, der sich zwischen Gitarre und Einkäufe auf das Bett gezwängt hat. Carissma schnurlt. „Oh, es ist so spannend“, flüstert sie. „Ja, finde ich auch“, sage ich, „soll ich noch weiter erzählen?“. „Ungedingt!“, sagt sie.

„Also, Du kannst Dir vorstellen, dass Frank in der Nacht noch einmal raus ist, um Rom bei Nacht zu sehen. Das war ihm wichtig. Weil der Trevi Brunnen, den kannst Du ohnehin nur um drei Uhr früh so richtig schön anschauen. Das hat er auch gemacht, der Frank. Und dann hat er ein paar Stunden geschlafen“, erzähle ich weiter.

Punkt neun Uhr wachte Frank vom Dröhnen des Morgenverkehrs auf. Er war es nicht mehr gewohnt, neben einer gut befahrenen Straße zu wohnen, inmitten einer Stadt. Alles, was er normalerweise frühmorgens hörte, war das Plätschern des Meeres. Oder das Dröhnen, je nach Wetterlage. Doch dieses Geräusch war völlig anders als der Verkehrslärm, der jetzt von draußen hereinzuhören war. Frank zog sich an und ging zum Frühstück. Es war ein italienisches Frühstück, eine Espressomaschine und in Plastik eingepackte Croissants standen auf einer Theke bereit. Frank trank zwei sehr starke Espressi und überlegte dann, was er tun sollte. Er wusste nicht, für wie lange dieses Zimmer reserviert war. Sollte er einfach fragen? Aber wie? Es ist doch ungewöhnlich, dass jemand in ein Hotel eincheckt und nicht weiß, für wie lange er reserviert hat? Frank ging zur Rezeption. Seine Hoffnung war, dass die Dame, die nicht besonders gut englisch sprach, ihm die gewünschte Auskunft geben würde, ohne lange nachzudenken, warum er selbst keine Ahnung hatte. Sie würde vielleicht denken, etwas falsch verstanden zu haben. Und genauso war es dann auch. Entweder war es der Dame egal, warum Frank nicht wusste, wie lange er bleiben würde und nachfragen musste oder aber sie machte sich keine Gedanken, denn sie gab bereitwillig Auskunft. Das Zimmer war für zwei Nächte reserviert.

Frank überlegte, wie er einen einzigen Tag in Rom perfekt verbringen könnte. Er ging zurück auf sein Zimmer und sah in einem Stapel Prospekte nach, der für Gäste bereitgelegt war. Ein Touristenbus! Das war es! Ein Hop on Hop off Bus, der einen zu allen wichtigen Sehenswürdigkeiten brachte. So musste er nicht nachdenken, konnte einfach aussteigen, wo er wollte und konnte den Petersdom als letzten Stopp einplanen und seinen Auftrag erledigen. Und dann war wohl endlich Schluss mit all diesem Wahnsinn. Frank sehnte sich zurück in den großen Garten, in dem er in aller Ruhe Blätter kehren konnte.

Frank duschte heiß und versuchte, sich zu entspannen. Dann zog er das neue Hemd an, schlüpfte in seinen Anzug und machte sich auf den Weg. Er war es nicht gewohnt, einen Anzug zu tragen und fand sich selbst sehr schick, wenn auch unpraktisch gekleidet. Er schlenderte zurück zum Bahnhof, fand dort das Schließfach und öffnete es. Es befand sich ein riesiger Rucksack darin, ein typischer Pilgerrucksack, leicht verschlissen, mit heftigen Schmutzspuren. Außen am Rucksack baumelte ein Paar stark gebrauchter Wanderschuhe. Frank nahm an, dass er sich noch einmal umziehen musste. Er beschloss, den Rucksack während der Busfahrt zu untersuchen, ging zum Abfahrsterminal gegenüber des Bahnhofes, buchte die „Rote Linie“ und stieg in den nächsten Touristenbus. Die Vorfreude auf all die Sehenswürdigkeiten überwog die Zweifel, die sich langsam aus seinem Unbewusstsein hocharbeiteten. „Frank“, flüsterte sein Unterbewusstsein, „lass die Finger von diesem Scheiß.“ Doch Frank konnte das nicht hören, denn er hatte Kopfhörer aufgesetzt, die ihm von den großen Prachtbauten Roms berichteten.

Genau 1.872 Kilomter entfernt betrat der Hellgraue das Hinterzimmer eines mittelständischen Unternehmens, das bis dato nicht durch Unregelmäßigkeiten aufgefallen war. „Was macht der Idiot?“, fragte er. Seine Meinung bezüglich Frank war nicht die Beste, erstens, weil er ein Neuer war und zweitens, weil das Treffen einigermaßen unprofessionell abgelaufen war. „Ich bin mir nicht ganz sicher“, antwortete ein etwa 20 Jahre jüngerer Mann mit Nickelbrille und drehte sich langsam von seinem Computermonitor zum Hellgrauen um, „aber wie es aussieht, fährt er Bus.“ „Was?“, sagte der Hellgraue. „Nun, seinen Bewegungen nach zu folgen fährt er Bus“, sagte der Mann mit der Nickelbrille, „Er bewegt sich wie in einem Fahrzeug voran, aber in regelmäßigen Abständen werden seine Bewegungen langsamer, als würde er gehen. Ich glaube, er fährt Bus. Es ist, als würde er immer wieder mal an einer Haltestelle aussteigen, dann steigt er genau dort wieder in einen Bus ein. Zumindest glaube ich das. Ich habe alle Linien des städtischen Verkehrs geprüft, doch keine entspricht der Route, die er nimmt. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was er macht. Vielleicht fährt er auch Taxi?“. Der Hellgraue kam näher. „Können Sie mir die Route auf einem Statplan zeigen, also alles, was er bisher gefahren ist?“, fragte er. „Ja, klar“, sagte die Nickelbrille, „sehen Sie, hier, die Route. Deckt sich mit keiner der städtischen Linien. Vor allem frage ich mich, warum er immer wieder aussteigt und dann an derselben Haltestelle wieder einsteigt!“. Der Hellgraue betrachtete den digitalen Stadtplan. Lamgsam breitete sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus, zögerlich, aber kontinuierlich. „Der Typ ist genial“, sagte er und revidierte seine Einstellung zu Frank binnen Sekunden von Grund auf. „Was?!?“, fragte die Nickelbrille. „Später“, sagte der Hellgraue und begab sich zum Aufzug. Er musste Don Giovanni sehen.

„Er macht was?!“, fragte der Mann, den man Don Giovanni nannte, obwohl er weder Giovanni noch Johann noch John hieß. „Er macht Sightseeing“, sagte der Hellgraue, „er fährt mit einem Hop on Hop off Bus, steigt bei jeder Station aus, außer am Circo Massimo, die Station hat er ausgelassen, verbringt einige Zeit bei den Sehenswürdigkeiten und steigt dann wieder in den Bus ein“. „Der Circo Massimo gibt ja auch nicht viel her“, sagte Don Giovanni mit Bedacht. Er schwieg eine ganze Weile.

„Sie haben Recht, er ist genial. Sollte er bis hierher beobachet worden sein, verlieren sich nun alle Spuren!“. „Wegen der Touristen“, sagte der Hellgraue langsam. „Genau!“, rief Don Giovanni begeistert, „Diese Hop on Hop Off Busse sind eine geniale Einrichtung. Könnten von mir sein. Kosten das zehnfache des Linienbustickets, fahren genau dieselbe Strecke. Einziger Vorteil, für einen Mann wie den unseren: An jeder Haltestelle stehen die Touristen in Schlangen an. Wer immer versucht, ihm zu folgen, wird es nicht schaffen, im selben Bus zu landen, ohne aufzufallen. Der Mann ist genial, neu, erfinderisch! Woher haben Sie ihn?“ „Die Grai Connection“, sagte der Hellgraue. „Hm, Schweizer“, antwortete Don Giovanni, „klug, pünktlich und treu.“ „Genau genommen kein Schweizer, eher Deutscher mit britischem Hintergrund oder umgekehrt. Spricht englisch, man hört den deutschen Hintergrund durch. Sehr schweigsam, hält sich bedeckt, spuckt nichts aus. Ein echter Profi, wenn auch ein wenig langsam“, sagte der Hellgraue. „Tempo hat noch niemandem etwas gebracht“, sagte Don Giovanni und biss genüsslich in eine Birne, „Sie können jetzt gehen. Ich bin sehr zufrieden“. Der Hellgraue war überrascht. Er ging.

Hier geht es noch ein wenig weiter 😉

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