1 – Bamberg und weiter

12. April 2018

Diesmal habe ich beschlossen, meine Seiten zu nummerieren. Weil sich sonst keiner mehr auskennt. Also. Hier ist Nummer 1 und gleichzeitig verrate ich unser erstes Reiseziel. Warum Bamberg? Nun, ich treffe mich mit meiner Freundin Rosmarie in der Stadt, in der sie im Orchester spielt.

Ich bin schon sehr gespannt! Immerhin gibt es in Bamberg einen Campingplatz am Fluss, sieht sehr lauschig aus. Ich bin diesmal bestens gerüstet und hoffe, dass das auch gut ist. Sprich, ich habe tatsächlich einen Reiseführer gekauft, den Lonely Planet für Schottland, ich habe den ACSI Führer gekauft, der beste Preise auf Campingplätzen verspricht und ich habe den „Brit Stops“ Führer gekauft, mit dem man bei über 1.000 Pubs, Bauern und Schlössern einfach stehen bleiben und übernachten kann. Klingt alles sehr gut. Carissima läuft übrigens wieder. Wenn jetzt noch die Einreise mit Hund gut über die Bühne geht, sind wir am 7. Mai in Großbritannien.

 

5. Mai 2018

Und manchmal kommt eben alles ganz anders als geplant. Bei mir meistens. Sprich, in den vergangenen vier Wochen ging es einfach drunter und drüber, gelinde gesagt. Meine Versuche, alles immer wieder zu ordnen und so trotz alledem am 2. Mai starten zu können, gingen einfach im Chaos unter. Aber immerhin. Jetzt bin ich unterwegs. Im Chaos musste leider auch der Plan, über Bamberg zu fahre, dran glauben, doch dafür hatte ich die Gelegenheit, den fast besten aller Männer noch rasch zu besuchen und das schöne Zelt zu borgen. Denn er konnte mich überzeugen, dass es mit Regen, Wind und 10 Grad Höchsttemperaturen zurzeit in Schottland nicht allzu gemütlich ist und ich das Zelt schätzen würde.

Heute also über Garmisch, Ulm und Stuttgart Richtung Straßburg und erst kurz vor Stuttgart checke ich, dass ich eine völlig andere Route genommen hatte, als google mir als schnellste vorgeschlagen hatte und darum von Garmisch bis Augsburg auf der Bundesstraße herumgegeigt bin. Ich hatte mich schon gewundert. Dann war ich aber so in Gedanken, dass ich vergessen hatte, mich zu wundern.

Wanda hat die Sache mit Fassung getragen, es war heiß im Auto und sie hat sich auf einen Kühlaku aus dem Eisfach gelegt und mich mit Blicken gestraft. Nun sind wir in einem kleinen Dorf an der Bundesstraße 28, Altensteig heißt es hier und ich muss dauernd an Allentsteig denken, auf einem Campingplatz. Hier findet gerade ein kleines Bullitreffen statt und einige der Besucher kennen mich noch vom Bullitreffen „Fahrtwind und Freiheit“ 2015. Ist das schräg! Bilder folgen dann morgen, ich geh jetzt mal rüber auf ein Bier!

 

6. Mai

Gestern war ich noch ein wenig unsympathisch, befürchte ich. Einer der Bullifahrer klagte, dass er seit Mittag etwas im Auge habe und es ziemliche Schmerzen verursache und ich stellte wieder mal fest, dass es in Gruppen nicht selbstverständlich ist, dass man sich umeinander kümmert. Sowas stört mich. Ich also in alter Rettungssanimanier das Auge untersucht und einen Brocken (für ein Auge ist schnell mal was groß wie ein Brocken) an der Iris entdeckt. Meine Versuche, mit getränkten Wattestäbchen etwas zu erreichen, schlugen fehl und ich riet dem armen Mann also dringend, ins Krankenhaus zu fahren. Der bestand dann auch darauf und ich hatte den Eindruck, die anderen waren nicht besonders amused. Seine Frau fuhr dann mit ihm und als sie zwei Stunden später noch nicht da waren, bin ich ins Bett gegangen. Viel zu spät wohlgemerkt, eigentlich wollte ich heute um acht schon aufbrechen. Es wurde dann neun. Den armen Mann hat man in der Nacht noch von der Notaufnahme des einen Krankenhauses in die Augenklinik des nächsten Krankenhauses geschickt und das Teil musste unter Betäubung entfernt werden. Also, nur das Auge betäubt.

However, wir sind dann um neun in Richtung Straßburg unterwegs und entgegen der Vermutungen der Bullitruppe brauche ich dazu nicht drei Stunden sondern eineinhalb. Um Straßburg drehe ich eine 40 Kilometer Ehrenrunde, weil ich ein Schild übersehen habe, kreuze dreimal den Rhein und bin dann auf der Autobahn Richtung Metz. Bis halb eins sind wir super unterwegs.

Yummie, sagt Carissima nach dem Tanken und rülpst leise. Ich dachte, Du magst keinen französischen Sprit, sage ich. 98 Oktan aber schon, sagt sie und ich schaue auf die Zapfsäule. 1,70 der Liter. Man gönnt sich ja sonst nichts. In Kroatien gibt es noch 100 Oktan, sage ich. Ich weiß, sagt sie. Und wo ist eigentlich der Blues? Ja, der Blues. Irgendwann gegen Ende des Winters war er weg. Es war wohl der Moment, in dem ich mich bereits ein wenig in die Verzweiflung stürzen wollte, weil alles so viel war. Meine Ausbildung, meine eigenen Kurse, viele Klienten, zwei Buchprojekte, wovon eines ziemlich hängt, das war alles ein wenig viel. Und dann entstand auf einmal diese innere Haltung, die Dinge zu nehmen wie sie sind. Weil es nichts bringt, verzweifelt zu sein und weil ich mir nun mal genau dieses Leben ausgesucht habe, mit allem, was dazu gehört. Und dieses Annehmen der Dinge, wie sie sind, das ist ein Klima, das dem Blues nicht bekommt. Ihm geht es am besten, wenn man so verzweifelt ist, dass man am liebsten nur noch heulen würde. Manchmal ist es so, dass Dinge von außen geschehen, die wirklich verrückt sind, für die man nichts kann, dann steigt naturgemäß die Verzweiflung. Aber wenn alles einfach so ist, wie man selbst ist, in meinem Fall also chaotisch und zu viel, dann kann man es doch irgendwann einfach nehmen wie es ist.

Während wir so dahin philosophieren, ziehen draußen die Kilometer vorbei und drinnen die Zeit, es ist nach Mittag und wie erwartet scheint ab Metz die Sonne wieder flott von vorne und es wird unerträglich heiß im Auto. Wanda bekommt wieder den Kühlaku, lehnt diesen aber ab und sieht sehr unglücklich aus. Ich rechne noch einmal die Tage nach, finde, dass wir genügend Zeit gepuffert haben und fahre von der Autobahn ab. Einige Kilometer Bundesstraße sind es nach Verdun, der Stadt des berühmten Vertrages. Noch berühmter ist es durch die Schlacht um Verdun, einer der schlimmsten Schlachten des ersten Weltkriegs. Zahlreiche Gedenkstätten und Soldatenfriedhöfe entlang der Strecke erinnern an die damalige Frontlinie. Ich denke nach. Letztens habe ich ein Hörbuch gehört, über die Frontlinie in den Alpen, an der Grenze zu Italien. Völlig sinnlos, das alles. Es wurde um eine Gegend gekämpft, die nach dem Krieg dann Italien zugesprochen wurde. Also alles völlig umsonst, wie jeder Krieg. Ich denke, dass ich mich wohl besser wieder auf das Jetzt konzentrieren sollte.

Ich denke mir, wenn der Campingplatz hier gut ausgeschildert ist, dann nehme ich ihn, ist doch egal. Es ist einfach zu heiß, wir haben alles Wasser ausgetrunken, heute ist Sonntag und mir reicht’s. Und der Platz ist super ausgeschildert. An einem kleinen See sind wir fast die einzigen Gäste und Wanda stürmt sofort los, um alles zu erkunden und ist auf einmal gar nicht mehr erschöpft. Nachdem sie eine Britin, die es wagt, auf einer Luftmatratze zu liegen, ordentlich verbellt, muss ich sie aber einfangen. Den Rest des Tages verbringen wir im Schatten. In der Sonne hat es über 30 Grad.

 

7. Mai

Es ist ein Jammer. Da komme ich zufällig nach Verdun und habe keine Kraft, das Städtchen zu besuchen. Der gestrige Fahrtag hat sich so angehängt, dass ich trotz eines kurzen Nachmittagsschläfchens in meiner neuen Luftcouch am Abend zu nichts mehr fähig war. Einzige Lösung also: am Rückweg wieder so fahren!

Wir brechen um kurz nach acht auf, denn ich sollte einkaufen und dazu darf es noch nicht zu warm im Auto werden. Ich habe meinen Bikini zu Hause vergessen, auch die Küchenrollen und Wasser ist auch keines an Bord. Der Einkauf wird etwas umfangreicher als gedacht und als ich an der Kassa stehe, bemerke ich erst, dass dieser Bikini etwas aus der Reihe tanzt, was meine Kleidung sonst angeht. Das Ding GLITZERT! Das ist mir nicht wirklich aufgefallen. Egal. Soll er halt glitzern. In silber.

Die Strecke von Verdun nach Reims, 100 Kilometer Bundesstraße, ist einfach nur schön. Und während ich so durch Alleen und kleine Dörfchen fahre, links und rechts leuchten die Rapsfelder blitzgelb, da denke ich mir, wie wunderbar das alles läuft. Und dass das nicht ganz ich bin. Also, dass zwei Tage lang überhaupt nichts schief läuft. Ich habe mir für heute sogar schon einen Campingplatz ausgesucht, etwa 40 Kilometer vor Calais. Das müsste gut zu schaffen sein und dann haben wir morgen keinen Stress.

Am Ende des Tages kann ich folgende Erkenntnisse vermelden:

  1. Wenn Du auf der Autobahn eine Flasche Sprudelwasser öffnen möchtest, dann prüfe vorher, ob Du ein ganzkörperlicher Fahrer bist. Weil, wenn man während des Öffnungsvorganges die Knie zusammenpresst, dann sitzt man danach zwei Stunden in einem Sprudelwassersee, der nicht auftrocknen will.
  2. Wenn Du einen Campingplatz nicht findest, wäre es ganz klug, zwischendrin mal stehen zu bleiben und Dir einen neuen herauszusuchen. Obwohl, das ist keine neue Erkenntnis. Das hatten wir schon tausendmal.
  3. Wenn Du also, weil Du den Campingplatz nicht gefunden hast, plötzlich und unerwartet in Calais ankommst, wäre es klug, Dir vorher durchzulesen, wie das mit dem Tunnel Check In ist. Sonst könnte es sein, dass Du eine halbe Stunde an der Kassa anstehst, um dann wieder zurück geschickt zu werden, weil die Tiereinreise einen Kilometer vorher zu erledigen ist. Das Häuschen ist nicht zu übersehen und man schickt Dich da mit Warnblinkanlage hin, damit alle sehen, dass Du der Trottel des Tages bist.
  4. Den Channel Tunnel Zug darfst Du ruhig einige Tage vorher buchen. Denn sonst erklärt Dir die Dame bei der Tiereinreise, dass Du nun bei ihr buchen kannst, das kostet dann aber etwas über 300 Euro und nicht 79, so wie im Netz angekündigt. Sie wird Dich bitten, mit Deinem Smartphone selbst zu buchen. Du wirst zum Auto gehen, Deinen Computer holen und das einzige Ticket, das nicht 300 Euro kostet, für den nächsten Tag buchen. Das kostet aber immer noch doppelt so viel wie wenn man früher bucht. Dann wird Dir die Dame sagen, dass die Tier Einreise am selben Tag wie die Fahrt stattzufinden hat und Du darum am nächsten Tag wieder kommen sollst.
  5. Denke nie darüber nach, warum alles glatt läuft.
  6. Die Briten haben die Zeitreise erfunden.

Und hier geht es weiter.

 

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