3 – Scarborough Fair

13. Mai 2018

Mein Gott, war das gestern spannend. Niemand hatte offenbar damit gerechnet, dass Österreich so weit kommen würde! Der britische Moderator war völlig fertig, auch von der Tatsache, dass die Teilnehmerin aus England so schlecht abgeschnitten hat. Mein Gott, wir hätten fast den Song Contest gewonnen! So etwas in der Ferne zu verfolgen, ist ganz anders als zu Hause. Man fiebert mehr mit. Ich glaube, zu Hause hätte ich nicht geschaut, schon gar nicht im Radio gehört. Ist schon sonderbar, wie anders sich die Ferne auf ein Heimatgefühl auswirken kann.

Gewidmet meiner Stalkerin.

Heute ist also Sonntag und ich widme mich der Wäsche, immerhin sind wir nun schon über eine Woche unterwegs. Genau genommen 13 Tage. Also, das war so. Am 1. Mai hat mir der fast beste aller Männer eine Sofortbildkamera mit 60 Bildern geschenkt, in einem todschicken Retro Ledertascherl mit Riemen zum Umhängen. Da fehlt mir nur noch der Tropenhelm mit Netz für das Gesicht und ich sehe aus wie ein Forscher aus einer vergangenen Zeit!

Des fast besten aller Männer Auftrag lautet, dass ich jeden Tag ein Foto des Tages mache. Etwas, das diesen Tag repräsentiert, etwas Spezielles. Meine Auflage dazu: das gleiche Bild darf es nicht digital geben. Zumindest nicht von diesem Tag. Es muss nicht reproduzierbar einzigartig sein.

Damit haben wir am 1. Mai begonnen. Ein Bild vom fast besten aller Männer und mir, ich krank im Bett. Am 2. Mai ein Bild mit Wanda. Am 5. Mai das kleine Bullitreffen irgendwo in Deutschland. Am 7. Mai ich am Strand von Calais. Und so weiter. Jedes Bildchen wird mit Ort und Datum versehen und kommt im Bus an die Wand – und die wird ganz schön voll werden, bis ich zurück bin!

 

Doch zurück zum Tag. Leider treibe ich den netten Mann vom Campingplatz fast in den Wahnsinn, weil bei mir einfach nichts funktionieren will, weder Waschmaschinen noch Trockner. Ich muss den armen Kerl tatsächlich dreimal aus der Sonntagsruhe holen, bis ich die doofe Wäsche endlich fertig habe. Während die Maschinen endlich trocknen, erkunden Wanda und ich das Dorf Slingsby und es ist hier, als wäre vor langer, langer Zeit die Zeit einfach stehen geblieben. Das kann man nicht mehr malerisch nennen. Es ist verzaubert.

 

Am Nachmittag belagern mich dann drei Kinder im Volksschulalter, die Wanda süß finden und fürchterlich viel zu erzählen haben. Sie sprechen schnell und in grobem Dialekt und ich habe Mühe, ihnen zu folgen.

Da erfahre ich etwas von der Not Neunjähriger, wenn für das Stickeralbum nur noch elf Bilder fehlen, 140 sind schon eingeklebt, und diese elf kriegt man dann natürlich nie. Oder wie schrecklich es ist, dass man sich nun zwei Pfund gespart hat, aber just heute das kleine Geschäft am Campingplatz geschlossen hat. Oder dass man heute früher nach Hause fahren müsse als sonst, weil die Mama auf ein Grillfest eingeladen ist. Oder dass es in der Schule ein Punktesystem für Fehlverhalten gibt, das darin gipfelt, dass man eine ganze Woche suspendiert wird. Zum Beispiel wenn man trotz mehrmaliger Ermahnungen seinem Sitznachbarn mit der Schere ein Büschel Haare wegschneidet. Genau in der Stirnfransenregion. Ich bin froh, nicht mehr zehn zu sein!

 

14. Mai 2018

Wir sind hier übrigens in der Nähe des berühmten Scarborough, das die meisten Menschen von dem Lied „Scarborough Fair“ kennen. Scarborough ist 24 Meilen entfernt und ich weiß, dass es dort einen „Drei“ Shop gibt. Wegen Internet und so. Aber um festzustellen, ob das vermaledeite Zeug nun geht oder nicht, brauche ich zuerst einmal Empfang. Und so packe ich das Rucksäcklein mit Computer, Internet Stick, Wasser und Leckerlis und wir machen uns auf den Weg. Der Himmel ist blitzblau und es ist heiß! Völlig ungewöhnlich für die Gegend, sagen die Einheimischen.

Nach etwa einer halben Stunde Wanderung erreichen wir einen Friedhof und dort finde ich eine Bank im Schatten – und Netz! Das hervorragend funktioniert und ich will schon fast meine Beschimpfungen auf den Mann im „Three“ Store zurücknehmen, da meldet mir die „Three“ Website das endgültige Aus. Das war es also mit Internet vom Datenstick. Also werden wir in Bälde nach Scarborough fahren und dort herausfinden, was mit meinem Datenvolumen los ist. Erst einmal aber gehe ich zur Camping Rezeption, kaufe mir für 24 Stunden Netz und überlege, noch einen weiteren Tag zu bleiben. Es ist einfach zu schön hier, ob mit oder ohne Netz!

 

 

15. Mai

Wir sind dann noch einen Tag länger geblieben, es ist einfach zu schön hier. Allein die Tatsache, dass Wanda herumlaufen kann, wie sie will, ist herrlich. Und dann noch die Sonne! Blauer Himmel, 20 Grad und ich schaffe es, in England einen leichten Sonnenbrand auf der Nase zu bekommen. Beim Arbeiten. Weil ich mir ja dann doch 24 Stunden Internet vom Campingplatz gekauft habe, um was machen zu können. Es ist schon sehr lustig, wie ambivalent ich meine Arbeit sehe. Denn an sich, HALLO, habe ich das Paradies! Wer kann so leben? Und anderseits macht mich dieses dem Internet hinterherlaufen total wahnsinnig. Ich meine, es ist ja nicht so, dass mir hier ein Smartphone mit Europavertrag was nützen würde! Denn am Platz ist schlicht kein „Drei“ Empfang und Ende. Also, eine Grundsatzfrage oder eine Grundsatzeinstellung… mal sehen, ob ich da auf einen grünen Zweig komme.

Ich habe einiges an Arbeit weitergebracht und bin dann mit dem Radl nach Castle Howard gefahren. Jetzt muss man sich vorstellen, dass die Landschaft hier einfach bretteleben ist, total flach und nur das Castle liegt natürlich auf einem Hügel. Besser gesagt, in einer Hügellandschaft. Mit fünf gröberen Steigungen und Gefällen, zwei davon mit 14 Prozent. Wer jemals mit mir Radeln war, der kann sich vorstellen, wie ich geflucht habe. Oben angekommen stelle ich fest, dass man das Schloss gar nicht sehen kann, ohne den horrenden Eintritt zu bezahlen. 18 Pfund für Schloss und Garten, ein Schloss, in das ich mit Wanda nicht darf und ein Garten, der mit Bustouristen überfüllt ist und in dem Hunde natürlich an der Leine zu führen sind. Das finden wir not amusing und so kaufe ich mir ein Stück Kuchen und einen Magneten für Carissima und wir fahren ein paar Meter weiter in ein Naturreservat, das zum Schloss gehört. 22 Hektar Grund für Wanda allein. Denn hier ist außer mir genau noch ein Paar mit Hund. Es ist herrlich und wir gehen zwei Stunden durch Wald und Wiesen.

Beim zurück Fahren habe ich dann wieder geflucht, musste aber zugestehen, dass es zumindest tendenziell nach unten geht, was mich beruhigt hat. Am Abend sind wir dann beide platt. Ich mache noch Routenplanung und Wanda schläft.

 

PS. Wie man sieht, ist das Castle Howard vom Prospekt abfotografiert. Weil, wenn man nicht den Eintritt zahlen will, dann darf man auch das Schloss nicht sehen. Oder besser, man kann es nicht sehen, weil es sehr gut abgeschottet ist.

 

16. Mai

So, heute fahren wir nach Scarborough. Ich rechne mir ja wenig Erfolg für meine Beschwerde aus, aber es muss einfach sein! Ich präge mir die Anfahrt zu der Gegend, in der das „Drei“ Geschäft sein soll, gut ein und los geht es. Schon nach ein paar Metern stelle ich fest, dass wir fast keinen Sprit mehr haben, Mist, das hatte ich bei der Herfahrt schon bemerkt, dass es hier offenbar keine Tankstellen gibt. So schleppen wir uns mit bereits alles im roten Bereich auf die Schnellstraße und ich hoffe, dass irgendwo auf den 42 Meilen bis Scarborough eine Tankstelle kommt. Für die Briten fahren wir zu langsam. Das ist eine sehr sonderbare Sache, mit den Briten im Auto. Sie fahren wirklich wie die Henker. Man würde das einem Volk, das so unglaublich höflich ist, einfach kaum zutrauen. Irgendwie sonderbar, dass ich da eine geheime Verbindung orte, nicht wahr. Wie auch immer, sie fahren wie verrückt. Anders verrückt als die Italiener, das muss ich zugeben. Die Italiener beachten keine Verkehrsregeln. Also Verkehrszeichen oder Linien auf der Straße werden bestenfalls als Empfehlungen wahrgenommen. Im Stadtverkehr fahren die Italiener extrem zügig und man wundert sich ständig, wie sich alles ausgehen kann, aber es geht sich aus. Bei den Briten nehme ich mehr wahr, dass sie sich zwar an Verkehrsregeln halten, aber diese einsetzen, ohne einen eigenen Gedanken hinzuzufügen. Zum Beispiel der Weg nach Castle Howard, eine kleine Straße, gesäumt von dicken Bäumen. Da wird überholt auf Teufel komm raus, an Stellen, an denen man im Notfall keine Chance hätte, man müsste sich zwischen Baum oder entgegen kommendem Fahrzeug entscheiden. Es ist, als würden sie die empfohlene Höchstgeschwindigkeit als Muss deuten, besser vielleicht als Versicherung, dass sich das ausgeht. Auch auf den Schnellstraßen ist das so. Da wird volles Tempo gefahren, an die Stoßstange des Vordermannes ran. Ich denke mir immer, wenn ich jetzt eine Notbremsung machen muss, dann sieht der hinter mir meine Funserlrücklichter nicht und schon sitzt er bei mir im Bett. Höflicherweise wird aber nicht gehupt und nicht geblinkt. Es wird einfach hirnlos schnell gefahren. Und wer mich ein klein wenig kennt, der weiß, dass das dann wirklich schnell ist, denn mir geht es normalerweise eh immer zu langsam…

In Scarborough – wir haben tatsächlich einige Meilen vorher eine Tankstelle gefunden – folge ich meiner Erinnerung, bis ich mich nicht mehr erinnern kann, wie es weitergeht und parke dann auf einem ausgeschilderten Parkplatz gleich bei der Polizei Hauptwache. Da werde ich wohl wieder herfinden! Ich muss nur zweimal nachfragen, dann finde ich das „Drei“ Geschäft, das wirklich nur ein paar Straßen weiter ist. Und naturgemäß kann man mir dort nichts zu dem fiesen Geschäft des Verkäufers vom anderen Geschäft sagen, aber man verkauft mir 12 Giga für 40 Euro und ich bekomme noch zwei Simkarten geschenkt, als kleine Entschuldigung. Was ich mit denen anfangen soll, weiß ich auch nicht so genau.

Auf dem Rückweg zum Parkplatz finde ich ein kleines Cafe im 60er Jahre Stil und da gibt es dann erst mal so richtig englisches Frühstück. Mit Würsteln (vegetarisch!), Spiegelei, Bohnen, gebratenen Champignons und Bagel. Und dem zweitschlechtesten Kaffee der Welt nach dem schrecklichen Kaffee in Alaska. Ich muss aufhören, in Britannien Kaffee zu trinken. Das klappt einfach nicht! Das Frühstück war aber einfach der Hammer und ich habe danach das Gefühl, nie mehr etwas essen zu können. Rolle zum Auto und fahre weiter.

 

Weiter, das geht über Whitby und Middlesborough, dazu BBC Radio 2, bis Newcastle upon Tyne. Unterwegs bleiben wir natürlich am Meer stehen, es ist einfach zu verlockend. Ein wenig hat’s mich gestresst im Vorfeld, mit Newcastle, schon wieder eine Großstadt, hoffentlich nicht zu viel Verkehr, doch es ist extrem entspannt. Man schildert hier gerne mal nach Himmelsrichtungen aus, also entweder nach Norden oder nach Süden. Das finde ich tausendmal cooler, als hier irgendwelche Städte anzuschreiben, die ich dann auf meiner Karte suchen soll, seit neuestem mit Lesebrille, von der mir dann schlecht wird, wenn ich hochschaue und vergesse, sie gleich wieder abzunehmen. Wir nehmen den Tyne Tunnel unter dem Fluss durch, der hier ins Meer mündet und an der Mautstelle angekommen muss ich meine Münzen im Weitwurf vom Fahrersitz durch das Beifahrerfenster in einen kleinen Auffangkorb werfen, denn hier ist kein Posten besetzt. Ich treffe mit allen Münzen, fünf an der Zahl, ein kleines Wunder. Aber in die Weite sehe ich ja super.

An sich wollte ich heute noch das Harry Potter Schloss besuchen, Alnwick Castle. Also, in diesem Schloss, oder besser gesagt davor, wurden die Außenszenen von Hogwarts gedreht. Doch die Zeit ist so fortgeschritten, dass ich diesen Besuch verschiebe und weiter nach Embleton fahre, wo es einen super Campingplatz am Meer geben soll. Ist auch so und ich beschließe, gleich zwei Nächte zu bleiben. Am Abend – ja, hier geht die Sonne erst seeeeeeeeeeeeeeeehr spät unter und um zehn ist es immer noch hell – gehen Wanda und ich noch ein wenig spazieren. Es ist Romantik pur. Schäflein auf der Weide, der blitzgelbe Ginster blüht und es ist einfach nur STILL.

 

17. Mai

Schade, dass das mit Internet hier nicht wirklich klappt. Es wäre ein perfekter Ort, um einfach mal zu bleiben, alles zu sortieren, endlich die neuen Datenschutzerklärungen auf alle von mir verwalteten Seite laden (was für ein GRAUS) und so. Aber leider hakt hier einfach alles. Das hofeigene Netz ist so langsam, dass es mir den Zugriff auf meine eigenen Seiten verwehrt und „Drei“ hat hier kaum Empfang. Bevor ich also durchdrehe, machen wir eine Radltour. Ich versuche, mich zu beruhigen, dass ich ja alles im Überblick habe. Habe aber trotzdem ein schlechtes Gefühl. Und ärgere mich, dass ich justament immer alles gleich machen will, ist doch egal, ob ich heute oder morgen einen Überblick bekomme! Oder nie!

Und während ich so dahindenke und radle und Wanda im Rucksack sitzt, da bin ich irgendwie falsch gefahren und denke mir, ach schau, da ist so ein netter Feldweg, der geht in Richtung Meer, da werde ich dann irgendwann am Strand stehen und dann wieder in Richtung Campingplatz zurück fahren und dann komme ich genau zur Ruine von Dunstanburgh Castle, wo ich hinwollte.

Also rolle ich in einem Affentempo den Feldweg bergab Richtung Meer, halte mich dann an einen holprigen Pfad mitten durch die frisch aufgegangenen Weizenfelder und bumsti, stehe ich an. Und zwar exakt fünf Meter vor dem Ende des Feldes, wo sich eine kleine Steinmauer befindet. Und etwas weiter hinter der Steinmauer, da scheint dann ein Weg zu sein, denn dort sehe ich Menschen gehen. Ich überlege. Zurückradeln wäre echter Mist. Etwa zwei Kilometer über holprigen Weg, bergauf. Verdammt. Also überwinde ich mein Bauernherz, steige ab, schultere das Fahrrad und springe behende, so mir das möglich ist, mit wenigen Schritten durch die Saat in Richtung Mauer. Wuchte mein Fahrrad über die Mauer, springe hinterher, in der Hoffnung, nicht zu viel angerichtet zu haben und auf dass mich niemand gesehen hat. Und stehe auf einem Golfplatz.

 

So schnell habe ich wohl noch nie mein Rad geschultert und bin weitergelaufen. Einfach der Mauer entlang, über die nächste Mauer und weg. Das nächste, was ich sehe, ist, dass man in Richtung Burgruine, die nun direkt vor mir auf einem Hügel zu sehen ist, nicht Fahrradfahren darf. Also quetsch ich mich mitsamt Fahrrad, Rucksack und mittlerweile befreiter Wanda durch das schmale Türl und schiebe das Rad Richtung Ruine. Zauberhaft ist es hier. Die Schafe haben das Gras so schön kurz gefressen, dass man wie auf einem Teppich geht, der Ginster blüht und plötzlich, ja plötzlich rieche ich den Ginster. Ich könnte einen Luftsprung machen. Setze mich neben einen Strauch und halte meine Nase in die Blüten und denke an alles, was man so riechen kann. Das Meer zum Beispiel, das ich jetzt auch ganz leicht wahrnehme.

 

Jetzt fragt sich sicher so manch eine, was denn eigentlich aus dem Blues geworden ist. Das war so. Der Blues ist tatsächlich pünktlich am fünften Tag wieder aufgetaucht. Also, nicht am fünften Tag nach dem Sofortbildkameratagebuch, das ja mit dem 1. Mai beginnt, sondern am fünften Tag von unterwegs, meinem Aufbruch aus Dover. Warum, habe ich überhaupt nicht verstanden. Blitzblauer Himmel, ein Frühsommer, wie man ihn kaum kennt in Großbritannien, steigende Temperaturen und Briten, die über die Hitze von 20 Grad stöhnen. Und trotzdem stand er einfach da.

Ich habe ihn sofort gefragt, was das jetzt soll. Besser gesagt habe ich versucht, ihn eine ganze Woche lang zu ignorieren, in der Hoffnung, dass er dann von alleine wieder abzieht. Ist aber keine so clevere Idee, denn der Blues, der macht es sich so richtig gemütlich, wenn man ihm keine Beachtung schenkt und so tut, als wäre er nicht da. So sitzt er also ganz heimelig auf meinem Campingstuhl, dem blauen, denn der rote ist von Wanda besetzt und die ist da mittlerweile ziemlich happig, wenn jemand auf ihrem Stuhl sitzen will. Also bleibt für mich nur noch dieser Outdoor Hocker, bei dem man die Sitzfläche wegklappen kann, dann kann man ihn als Klo verwenden. Ich sitze also auf dem Klo und frage meinen Blues, warum er hier ist. Das fragst Du noch sagt er und lehnt sich gemütlich zurück. Da fallen mir jetzt vier Gründe aus dem Nichts heraus ein. Aha, sage ich, und welche bittesehr?

Also, völlig easy, sagt der Blues. Erstens ein Freund weniger, das macht keinen happy. Oder? Ich schweige. Ich meine, bohrt er nach, Du hast zwei beste Freunde und zusammengerechnet wart ihr alle miteinander auf ungefähr doppelt so vielen Begräbnissen wie Hochzeiten. Das sagt doch was über ein Leben aus, oder? Ich schweige. Oh, wie er mich ankotzt, seit er spricht. Es gab eine Zeit, da war er einfach da, schweigend. Doch das ist lange her. Zweitens, eine völlig falsche Geschäftsorientierung, sagt er. Du hast doch täglich Angst, dass alles nicht klappt und dass Du dann sauber im Regen stehst, nicht wahr? Und kannst nichts dran ändern. Drittens, da träumst Du so vor Dich hin, von wegen, leben und so und dann machst Du Dir jeden Tag Sorgen, da lebt doch jeder besser, der seinen Traum nicht lebt, oder? Und viertens schreibst Du schlecht in letzter Zeit, da bekäme ich auch den Blues. Er lehnt sich zurück und zündet sich eine Zigarette an. Ich drehe mich hilfesuchend nach Carissima um. Die rollt mit den Augen. Kannst ihm jetzt glauben oder nicht, sagt sie. Ich schreibe nicht schlechter als sonst, motze ich. Könnte ja das Problem sein, sagt er und grinst mich frech an. Arsch, sagt Carissima. Schau mal, das ist doch von mir aus alles wahr, aber da ist ja nichts dabei, was sich nicht bearbeiten lässt, meint sie.

Da hat wohl jemand Psychologie II gemacht über den Winter, äzt der Blues. Ich packe das Hündlein und gehe spazieren.

Und hier geht es dann weiter.

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